Es gibt nicht „das Marienbild“

Zusammenfassung und Schluss – ein Marienbild für heute?

2003 gab es im EB München Freising einen Wettbewerb unter dem Motto: Madonna – ein Marienbild für heute. Gesucht wurden marianische Motive für konkrete Bauprojekte und für allgemeine Themen wie ein Marienbild für eine Brücke, einen bestimmten Pfarrplatz, einen Wohnraum oder eine kath. Kirche. In der Einleitung zu diesem Wettbewerb schreibt der damalige Museumsdirektor von Freising Peter Steiner:
„ Das Bild der Muttergottes hat sich in den 1800 Jahren seiner Geschichte reich entfaltet. Ursprünglich feiert es die Menschwerdung Gottes. Jedes Bild der Muttergottes, mit dem Kind auf dem Schoß oder dem Arm, mit dem toten Sohn auf dem Schoß oder unter dem Kreuz stehend ist ein Gottesbild, ein Bild des Mensch gewordenen Gottes. Das Bild der Muttergottes veranschaulicht Inkarnation, Erlösung, Liebe, Trost und Frieden oder Klage und Trauer. Es erinnert daran, dass Mann und Frau Ebenbild Gottes sind und bejaht die Schöpfung und das Leben. Maria als erste der an Christus Glaubenden, als starke selbstbewusste Frau ist auf der Grundlage des Neuen Testaments und des Frauenbildes von heute neu zu entdecken. Im Vergleich dazu scheinen die Motive traditioneller Andacht:                         Himmelskönigin,   Maienkönigen, Rosenkranzkönigin, Schutzmantel und die Bilder von Marienerscheinungen weniger geeignet als Vorbilder für ein Marienbild von heute. Sie sind nicht ausgeschlossen, sollen aber vor dem Hintergrund der Bibel und heutiger Lebenserfahrung kritisch hinterfragt werden.“ Ich denke, diesen Zeilen kann man auch nach rund 15 Jahren noch viel abgewinnen; das Marienbild von heute braucht geerdete Lebensfarben von heute.

Ich sehe dich in tausend Bildern, mit diesem Gedichtvers hat Roland Kerschbaum seine fragmentarischen Betrachtungen begonnen, und und kehrt am Schluss wieder dahin zurück. Es gibt nicht „das Marienbild“. Es gibt viele Bilder, Zugänge, Hinweise, Spuren. Bilder können nie das Ganze offenbaren, vielmehr offenbaren sie zuallererst die Suche nach Bildern, die Sehnsucht des Menschen nach ihnen. Einige Marienbilder haben wir an diesem Abend gesehen, was würde Maria wohl selbst zu diesen Bildern sagen?

Der Schweizer Pfarrer Kurt Marti (1921-2017) hat sich darüber Gedanken gemacht, der Referenbt zitierte stark gekürzt aus seinem Gedicht „Und Maria“:
später viel später
blickte Maria ratlos von den altären
auf die sie gestellt worden war
und sie glaubte an eine Verwechslung als sie
zur jungfrau hochgelobt wurde
und sie bangte um ihren verstand
als immer mehr leute auf die knie fielen vor ihr.
und maria trat aus ihren bildern und kletterte
von ihren altären herab…
und sie war und sie ist
vielleibig vielstimmig
die subversive hoffnung
ihres gesangs.

Möge es also vielleibig – vielstimmig, und im Sinne des Bildes vom Fresko vielfarbig weitergehen. Wichtig sind ja unsere Lebensfarben, die sich in den Bildern von heute und morgen finden sollen.

Mögen wir in einem Zeitalter der Bilderfluten das Schauen nicht verlernen. Wir sehen und registrieren viel, aber das Schauen geht tiefer, kann hinabsteigen in die Häuser unserer Seelen, damit unser Inneres angerührt wird, damit ein Bild wieder zu uns sprechen kann, wie es Elias Canetti einmal formuliert hat: Ein Weg zur Wirklichkeit geht über Bilder. Das Bild braucht die Erfahrung des Menschen, um zu erwachen. So erklärt es sich, dass Bilder während Generationen schlummern, weil keiner sie mit der Erfahrung ansehen kann, die sie weckt.

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