Allein – Gemeinsam– Zusammen

[09.10.2021]

Kennt ihr das Wort: „Krise“?

Yvonne Ennsmann, Sekretärin
Yvonne Ennsmann

Ich habe eigentlich immer etwas Schlimmes damit verbunden, du auch? So wie Sand in den Händen, der durch die Finger rinnt, weil man ihn nicht in der Hand so richtig festhalten kann. Man kann auch sagen, dass einem eine Situation „entgleitet“.

Aber zurück zum Wort ‚Krise‘. Interessant ist, dass dieses Wort aus dem Griechischen kommt und übersetzt bedeutet: „Wendepunkt“ oder „Entscheidung“. Tja, jetzt sieht plötzlich eine „Krise“ etwas anders aus, richtig? Denn Wendepunkte und Entscheidungen trifft man sehr viele im Leben, eigentlich jeden Tag. „Fahr ich mit dem Bus oder mit dem Fahrrad?“, „Esse ich Toast oder Müsli zum Frühstück, oder lieber doch nur Kakao?“, „Was möchte ich mal werden?“, „Was mach ich als erstes, wenn der Lock-down vorbei ist!“. Wie du siehst, man trifft ständig Entscheidungen oder entschließt sich für eine Seite.

So geht es jetzt auch Felix. Er hat gerade die 3. Klasse Mittelschule fertig. Seine Noten sind trotz Corona-Jahr ganz gut… …was heißt ganz gut, sie sind sehr gut, aber jetzt muss er sich fragen, was er in Zukunft tun wird. Lehre oder in eine andere Schule gehen? Nächstes Jahr muss er sich entschieden haben. Denn bis dahin sind Aufnahmeprüfungen oder Bewerbungsgespräche zu machen. Eigentlich wollte er immer etwas Handwerkliches machen. Mechatroniker oder Werkzeugmacher hätte ihm bis zuletzt gut gefallen, aber dann kam Covid-19 und hat bei ihm alles verändert.

Vor etwas mehr als einem Jahr begann der Lock-down und Felix konnte es nicht glauben, dass er nun immer daheim sitzen sollte, um rein gar nichts zu tun. Er fühlte sich eingesperrt, wie alle anderen auch, und zu Beginn wusste er nicht wirklich, was er jetzt mit seiner Zeit anfangen sollte. Nur die ganze Zeit ins Smartphone und Tablet zu gucken war ihm zu langweilig.

Er saß fast jeden Tag auf dem Balkon mit seiner Mutter und redete mit den Nachbarn, die auch alle am Balkon saßen und vor Langeweile dahin brodelten. Einige konnten Musikinstrumente spielen und so kam es dazu, dass sie jeden Tag ein Konzert vor der Tür hatten und der Rest der Nachbarschaft dazu sang. Das gefiel Felix sehr gut, aber es gab zwei ältere Leute im Erdgeschoß auf der anderen Seite des Blocks, die immer traurig dasaßen und nicht mitmachen wollten. Da man ja noch spazieren gehen durfte, begann Felix jeden Tag bei diesen Nachbarn vorbeizuschauen und von Weitem mit ihnen zu reden. Anfangs waren die beiden Senioren eher skeptisch, was das sollte und warum dieser „Rotzbengel“ überhaupt stehen blieb. „Geht doch dich nichts an, ob ich da allein sitze!“, sagten sie.

Felix ließ sich von ihren Worten nicht entmutigen und mit der Zeit wurden die älteren Herrschaften etwas netter und schließlich erzählten sie ihm jeden Tag, was sie bis jetzt so getan hatten. Wie schade es ist, dass sie ihre Kinder und Enkel nicht sehen konnten, dass es mühsam war mit Asthma und Mundschutz einkaufen zu gehen und, und, und. Das brachte Felix auf eine Idee, er begann die Erledigungen und Einkäufe für die beiden zu machen und lieh ihnen seinen Laptop, damit sie mit ihren Verwandten reden und sie sehen konnten. Natürlich hatte er alles technisch so eingerichtet, dass sie nur auf einen Knopf drücken mussten, um schließlich per Skype ihre Liebsten zu sehen.

Nun hat Felix wieder über diese Geschichte nachgedacht. Die Senioren in der Nachbarschaft sind jetzt sozusagen seine ‚Kumpels‘ gewordenJ, aber er hat gemerkt, was er richtig gut kann. Mit älteren Menschen umgehen, für sie da sein, mit ihnen reden, ihre Geschichten anzuhören usw. Jetzt hat er seinen Entschluss gefasst, er möchte Altenpfleger werden. Sicher gibt es in diesem Beruf auch Unannehmlichkeiten, aber die sind ihm jetzt plötzlich egal, er sieht das andere wirklich Wichtige.

„Jede Krise birgt eine Chance“, es muss ja nicht immer gleich der ultimative „Supergau“ sein. Es können auch kleine Dinge sein, die etwas bewegen. Wie schon Erich Kästner sagte: „Auch aus den Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, lässt sich etwas Schönes bauen.“

In diesem Sinne, habt einen schönen Herbst und erfreut euch an den positiven Dingen, denn manchmal sind sie nur etwas versteckt.

Eure Yvonne