Karwoche anders

[07.04.2020]

Liebe Mitglieder unserer Halleiner Pfarrgemeinde! Ihr Lieben!

Eine völlig andere Karwoche als sonst erleben wir heuer! Keine Tischabendmahlsfeier in der Kirche am Gründonnerstag, keine Gottesdienste mit Beichte und Abendmahl am Karfreitag und natürlich auch keine festlich – fröhlichen Ostergottesdienste mit Eiersuchen im Pfarrgarten. Auch im Freien sind ja Versammlungen oder Gottesdienste nicht erlaubt.

Aber die Erfahrung dieser Wochen, wie bedroht unser Leben ist, passt zum Leiden und Sterben von Jesus. Gerade jetzt stärkt mich die Hoffnung von Ostern: Du brauchst keine Angst zu haben, das Leben wird siegen. Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind also nicht abgesagt! Aber es braucht neue und andere Formen, diese Tage zu begehen.

  1. Da gibt es zum einen die sehr gut gemachten Gottesdienste im Fernsehen und Angebote von etlichen Pfarrgemeinden:
    Karfreitag, 10. April, 9.30 Uhr, ORF 2: Gottesdienst aus der Kapelle des Evang. Zentrums in Wien mit Bischof Michael Chalupka
    Karsamstag, 11. April, 22.00 Uhr, BR: Evang. Gottesdienst zur Osternacht mit Bischof H. Bedford-Strohm
    Ostersonntag, 12. April, 9.30 Uhr, ZDF: Evangelischer Gottesdienst aus Ingelheim
    Ostermontag, 13. April, 10.00 Uhr, ARD: Evang. Gottesdienst aus der Nicolai-Kirche in Lemgo
    Weitere Angebote unter: https://ostern.evang.at/  oder:
    https://www.sichtbar-evangelisch.at/kirchliche-angebote-in-zeiten-der-corona-pandemie/
    https://evang.at/mitfeiern-im-internet-pfarrgemeinden-streamen-ihre-gottesdienste/
  2. Die Corona-Krise macht mir/uns Mut, nicht nur vor dem Bildschirm zu „konsumieren“, sondern selber daheim miteinander Gottesdienst zu feiern, so wie es die Christ*innen in den Anfangszeiten auch getan haben. Jetzt ist die Zeit der Hauskirchen!
    Das passt zu Luthers Gedanken vom „Priestertum aller Gläubigen oder Getauften“: alle haben unmittelbar Zugang zu Gott, brauchen nicht einen Pfarrer, sondern können selber zu Gott beten, im Wort Gottes lesen – ja in Notsituationen auch Abendmahl feiern.
    Denn es ist ja Jesus Christus, der einlädt und mit uns feiert. Für eine würdige Feier braucht es Brot, Wein oder Traubensaft, ein „Tischgebet“ und jemand muss die sog. Einsetzungsworte sprechen bzw. lesen. Das geht gut in der Familie, aber auch allein!
    In einer Hausfeier wissen wir uns verbunden mit der Gemeinschaft der Christ*innen weltweit, denn Jesus verbindet uns – auch über alle (gebotene) Distanz hinweg!
  3. Und dann gibt es Angebote hier bei uns auf dem Kirchengrundstück:
    Am Karfreitag und Karsamstag liegt ein großes Kreuz auf dem Platz vor der Kirche und ihr seid eingeladen, bereit liegende oder selber mitgebrachte Steine zu diesem Kreuz zu legen! Denkt dabei an das, was euch beschwert oder belastet, euch Sorgen oder Mühe macht. An das, wo ihr Menschen verletzt habt oder schuldig geworden seid.
    All das dürfen wir ans Kreuz legen – in dem Vertrauen, Jesus trägt unsere Last und unsere Schuld. Er ruft uns zu: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28).
    Am Ostersonntag wird sich dann das Kreuz „verwandeln“ und es gibt am Kirchenvor-platz von 9.00 – 12.00 Uhr etwas Stärkendes für Geist und Körper zum Mitnehmen – kommt und seht (aber nicht alle auf einmal…)! In der Kirche brennt dann unsere neue Osterkerze – denn Jesus ist auferstanden und lebt!
  4. Die Kirche ist übrigens jeden Tag von 9.00 – 18.00 Uhr für Gebet und Andacht geöffnet!
    Auch in der Kirche gelten die Abstandsregeln und es sollten nicht zu viele gleichzeitig darin sein. Jede/r ist da für sich selbst verantwortlich.

Gedanken von unserem Vikar Thomas Müller

„Momentan sind Supermärkte in der Corona-Krise geöffnet, um den Menschen in Österreich Lebensmittel zu verkaufen. Es ist unumstritten wichtig, dass wir unser lebensnotwendigstes Grundbedürfnis befriedigen können, welches da heißt Nahrung. Hintangestellt werden muss das soziale Leben. Aber auch andere Bedürfnisse, die normalerweise zum selbstverständlichen Gebrauch gehören. Es ist ungewohnt, dass ich keine Freunde treffen kann, alle möglichen Geburtstagsfeiern ausfallen und ich mehr oder weniger in den vier Wänden meiner Wohnung gefangen bin. Gleichzeitig aber bietet dieses Gefängnis Schutz, denn ich leiste damit einen Beitrag, andere Menschen nicht anzustecken, bei denen womöglich das Coronavirus tödliche Folgen haben kann. Der „Stubenhocker“ wird damit zur tragischen Heldenfigur unseres gegenwärtigen Lebens.

Aber was ist mit unserem Glauben? Unser Staat teilt momentan die Betriebe und Institutionen in „systemrelevant“ und „nicht-systemrelevant“ ein. Und folgen wir dieser Logik, so ist unsere Kirche nicht relevant. Man kann also auf Gottesdienste verzichten, wie auf den Friseurbesuch oder wie auf das gemeinsame Fußballtraining. Und die Kirchen in Österreich machen da auch noch freiwillig mit? Dieser Verzicht auf Gottesdienste stellt die nächste Frage in den Raum: Hat die Kirche ihr „Gottvertrauen“ verloren? Schließlich glauben wir doch daran, dass Jesus mitten unter denen ist, da wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen. Eine Gemeinschaft mit Gott darf doch so gesehen kein Verteilerzentrum für tödliche Krankheiten sein. So verhält es sich schließlich auch beim Abendmahl, wenn man das „Brot des Lebens“ empfängt. Wo Jesus ist, da muss auch Heilung und Rettung sein. Ansteckung und Krankheit passen nicht ins Bild.

Die Situation momentan ist einzigartig. In der uns greifbaren Kirchengeschichte sind etwa Osterfeiern noch nie ausgefallen. Dies geschah nicht während der Spanischen Grippe und zur Zeit der Pest strömten die Menschen umso mehr in die Gotteshäuser, um ihre vermeintliche Sündenlast abzugeben. Man dachte, die Pest sei eine Strafe Gottes, die durch Reinigung und Sündenbuße wieder verschwinden würde. Dadurch aber wurde die gesund-heitliche Krise nie gemildert, sondern eher noch verschlimmert und beschleunigt. Besonders grausam trieben es die Flagellanten oder Geißler auf die Spitze. Sie entblößten ihre Oberkörper und schlugen sich selbst mit Peitschen, deren Riemen sie zu Knoten geflochten und mit spitzigen Eisenstücken zu grausamen Marterinstrumenten gemacht hatten, um die Sündenlast der Gesellschaft zu schmälern und um mit ihrem Opfer Christus milde zu stimmen.

Auch heute noch meinen einige Menschen, dass wir als Gesellschaft oder Welt unsere Sünden abbüßen müssten. Und manche vergreifen sich sogar zur Annahme, dass das Corona-Virus eine göttliche Strafe sei. Dass die Kirchen, die kein Gottvertrauen mehr hätten, die Gotteshäuser verschließen würden, sei lediglich ein Ausdruck für das kaum mehr vorhandene Gottvertrauen dieser Institutionen. Nicht einmal am Karfreitag findet mehr ein Gottesdienst statt.

Natürlich ist das Fehlen des Gottesdienstes schwer zu ertragen. Und ganz besonders schmerzlich ist der Ausfall von Karfreitags- und Ostergottesdiensten. Aber erinnern wir uns an die Botschaft dieser Feierlichkeiten, der Zuspruch, den Jesus uns gegeben hat: „Deine Sünden sind dir vergeben“. Unsere ganze Kirche baut darauf! Du hast keine Schuld mehr, du musst nichts mehr abbüßen. Und mag sein, dass in unserer Kirche, in unserem Land und in unserer Welt vieles falsch läuft, aber über allem steht das Vertrauen auf Gottes Vergebung.

Dass wir keinen Gottesdienst im Kirchengebäude feiern ist schwer zu verkraften. Aber am mangelnden Gottvertrauen liegt es nicht. Wir erinnern uns an die Botschaft von Jesus am Kreuz: Uns ist bereits vergeben worden. Und diese Botschaft ist und bleibt systemrelevant, für unsere Kirche und für unsere Gesellschaft. Wo diese Botschaft erklingt, da wird nicht Tod oder Krankheit bleiben, sondern da kehrt Leben ein. Und die Freude wird umso größer sein, wenn wir diese Botschaft wieder gemeinsam in einem Gottesdienst bekennen können – ohne ein gesundheitlich allzu großes Risiko eingehen zu müssen.“

Lied zum Karfreitag
„O Haupt voll Blut und Wunden“ (EG 85,1+7)

  • O Haupt voll Blut und Wunden,
    voll Schmerz und voller Hohn,
    o Haupt, zum Spott gebunden
    mit einer Dornenkron,
    o Haupt, sonst schön gezieret
    mit höchster Ehr und Zier,
    jetzt aber hoch schimpfieret:
    gegrüßet seist du mir!
  • Es dient zu meinen Freuden
    und tut mir herzlich wohl,
    wenn ich in deinem Leiden,
    mein Heil, mich finden soll.
    Ach möcht ich, o mein Leben,
    an deinem Kreuze hier
    mein Leben von mir geben,
    wie wohl geschähe mir!

Segen von Iris Haidvogel

Gott, dein war der Tag, dein sei auch die Nacht,
dein war die Sonne und Wärme, sei du mir auch nahe, wenn es um mich dunkel ist und kalt.
Du schenkst Wachsen und Gedeihen, unaufhaltsam grün und stark,
doch steh mir auch bei, wenn das Leben vergeht.
Dein ist die Traurigkeit, dein sei auch der Trost und erst die Freude,
wenn wir uns wiedersehen, wenn wir uns wirklich alle wiedersehen, alle – bei dir!

Herzlich grüße ich euch, bleibt behütet und gesegnet,

Euer Peter

Der Brief als pdf-Dokument zum Download.