Christkind oder Weihnachtsmann?

[19.12.2022]

Bei der Redaktionssitzung zum aktuellen Gemeindebrief hat sich bei unserer Themensuche eine interessante kurze Diskussion ergeben. Ist nun das Christkind oder der Weihnachtsmann typisch für Weihnachten? Bei uns in Österreich würden wohl die meisten – zum Teil fast genervt – antworten: Na klar, das Christkind! Aber Peter, unser Pfarrer, der aus Norddeutschland kommt, hat uns ein wenig die Augen geöffnet, als er davon berichtete, wie selbstverständlich in seiner norddeutschen Heimat der Weihnachtsmann das Symbol für Weihnachten ist. Und ihm wird man ja wohl nicht unterstellen wollen, dass er ein Anhänger der amerikanischen Konsumkultur ist, als dessen Ausgeburt viele bei uns den Weihnachtsmann „verteufeln“.

Also blicken wir ein wenig genauer hinter die historischen Kulissen dieser spannenden Frage. Eines steht ziemlich sicher fest und das ist ein evangelischer „Fakt“: Martin Luther hielt nicht viel vom heiligen Nikolaus, der zu Luthers Zeit die Geschenke an seinem Namenstag Anfang Dezember gebracht hat. Um dem etwas entgegenzusetzen, bewirkte er eine „Verlegung“ des Weihnachtsfests auf die Geburt Christi, mit dem Argument, dass ja an diesem Tag Gott seinen Sohn geschenkt habe. Damit wurde Luther zum Begründer des 24. Dezembers als eigentlichem Weihnachtsfest – der Heilige Nikolaus verlor an Bedeutung und das war Luthers Ziel. Damit einher ging dann auch zunächst die Idee des Christkindes, das die Geschenke bringt; allerdings lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass Luther das Jesuskind darunter verstand, dass er also Jesus und Christkind als ein und dasselbe sah.

Die Gestalt des Weihnachtsmanns ist weit vielschichtiger. Einerseits ist sicherlich der schon genannte heilige Nikolaus ein historischer Vorläufer des Weihnachtsmanns, wie er beispielsweise in Holland lange Tradition hat und dort nach wie vor ein weihnachtliches Großereignis ist. Andererseits gibt es eine Reihe von älteren historischen Figuren, die für die Entstehung des Weihnachtsmanns herangezogen werden können. Nach der Reformation gab es relativ schnell eine Entwicklung in evangelischen Gemeinden, vorrangig im Norden Deutschlands, die den heiligen Nikolaus und den strafenden Knecht Ruprecht mit der Rute zu einer neuen und positiveren Figur zusammenführten, den sie dann als den Weihnachtsmann bezeichneten. Im Süden Deutschlands und damit auch bei uns blieb man bei Nikolaus und Christkind, die Katholische Kirche blieb generell dabei und machte beim Weihnachtsmann nicht mit. Der Weihnachtsmann ist also durchaus „evangelisch“.

Aber da sind noch mehr Figuren, die als historische Wurzeln des Weihnachtsmanns gelten können. Z.B. „Väterchen Frost“ aus Russland, der immer mit seiner Enkelin, einem kleinen Mädchen, daherkommt (hier könnte man einen Ursprung für den Gedanken des Christkindes als eine Art „Engelsgestalt“ vermuten). Väterchen Frost hat ebenfalls eine Rute, wie der Knecht Ruprecht, aber bei ihm ist sie ein Fruchtbarkeitssymbol und soll Hoffnung darauf machen, dass der Winter besiegt werden wird. Und der skandinavische Weihnachtsmann hängt eng zusammen mit dem schwedischen Lichterfest, bei dem die Lichtgestalt der „Lucia“ eine ebenso ähnliche Bedeutung hat, dass die Dunkelheit nicht das letzte Wort haben wird.

Ebenfalls sehr interessant: Schon im alten China gibt es einen alten Mann, der Geschenke bringt, nämlich Shou Xing. Wenn man Bilder dieser Gestalt betrachtet, wird man unweigerlich an den Weihnachtsmann erinnert sein.

Die Frage Weihnachtsmann oder Christkind ist also gar nicht so einfach zu beantworten und keinesfalls ist sie eine „Glaubensfrage“.
Die Amerikaner und Coca-Cola sind jedenfalls nicht die Erfinder des Weihnachtsmanns! Man vergisst (in ein klein wenig europäischer Überheblichkeit) oft, dass viele „Amerikaner“ ja auch nur ausgewanderte Europäer sind, die ihre durchwegs europäischen Bräuche in die Neue Welt mitgebracht haben. Das Einzige, was sie definitiv erfunden haben, ist das heutige Aussehen des bärtigen Weihnachtsmanns in Rot-Weiß. Das ist tatsächlich auf die einprägsamen Bilder der Coca-Cola-Werbung zurückzuführen. Früher nämlich war der Weihnachtsmann durchaus mehrfarbig.

Die Gestalt des alten weiß(bärtigen) Mannes selbst kommt eher aus der Spätromantik, als der Maler Moritz Schwind den „Herrn Winter“ so zeichnete, wie wir uns den Weihnachtsmann heute großteils vorstellen.