Das Kreuz mit der „alten“ Normalität

[28.03.2021]

Die Kreuze im Leben eines Menschen sind wie die Kreuze in der Musik: sie erhöhen!“ Ein Zitat, das Ludwig van Beethoven zugeschrieben wird. Stimmt das? In der Lebens-Rückschau kann man sagen:  Ja! Durchgestandene Krisen, durchgetragene Kreuze, sofern nicht Resignation die Oberhand behält, prägen und bergen die Chance eines inneren Wandels. D. h. auch diese Pandemie hätte das Zeug zu einem gesellschaftlichen Neubeginn. Jedoch Parolen wie „zurück zur alten Normalität“ lassen mich daran zweifeln. Wollen wir die Zeichen der Zeit nicht sehen? „Alte“ Normalität heißt weiterhin alle Biosysteme überdehnen, Ressourcen unkontrolliert plündern, weiterhin dem Konsumwahn frönen und damit eine zukünftige Temperaturerhöhung von 3 Grad oder gar noch mehr zu riskieren.

Einer der „Rufer in der Wüste“, Franz Alt, Journalist und Buchautor, zitiert in seinem Sonnenseite Newsletter Klimaforscher wie folgt: „… Mit den jüngsten Beschlüssen der EU. bis 2030 55% CO2 statt wie bisher vorgesehen 40% einzusparen, wird nicht einmal das Zwei-Grad-Ziel erreichbar sein. Zurzeit steuert die Welt auf mindestens drei Grad globale Erwärmung zu. Und damit absehbar auf riesige Katastrophen.“ „Wir zerstören unsere Erde, weil wir gegenwartsversessen und zukunftsvergessen sind“, so Alt’s Resümee.

Dirk C. Fleck, ebenfalls Journalist und Buchautor, sieht als einzigen Rettungsanker gar die „Ökologische Diktatur“: „In verschiedenen Ländern und auf übernationaler Ebene gibt es inzwischen viele Initiativen, die den Paradigmenwechsel vorantreiben. Alles Maßnahmen, die wir auf demokratischem Wege kaum zustande bringen. Sie sind aber nötig, um uns von unserem zivilisatorischen Suchtverhalten zu heilen. Die meisten von uns lehnen jede Form von Diktatur ab. Verständlich. Dabei vergessen wir jedoch, dass wir bereits in einer Diktatur leben: in der Diktatur des Kapitals, welches sich in den Händen weniger Global Player befindet. Deshalb sollten wir uns fragen, was besser ist: eine Diktatur zur Ausbeutung der Erde oder eine zu ihrem Schutz. Es geht in der gesellschaftspolitischen Debatte nämlich nicht mehr um rechts und links, auch nicht um oben und unten, es geht allein um zukunftsfeindlich oder zukunftsfreundlich. Sein oder Nichtsein…“

Ich gebe zu, als eingefleischte Demokratin wehrt sich in mir alles gegen jede Form der Diktatur. Wissenschaftler jedoch geben der Menschheit nur noch 10 Jahre um eine Transformation einzuleiten und damit weitere Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Das wird knapp. Wie aber kann eine solche von Dirk Fleck vorgezeichnete Ökodiktatur verhindert werden? Mögliche Antwort: Alles daran setzen um unsere demokratischen Entscheidungsprozesse insbesondere bei unpopulären Maßnahmen zu beschleunigen.

So oder so, das Klima-Kreuz wird die Menschheit schultern müssen.

Helga Schinninger
Beauftragte für Entwicklungszusammenarbeit