„Siehe, ich verkündige euch große Freude“

[16.12.2021]

In unmittelbarer Nähe von Bethlehem, in östlicher Richtung befinden sich unter dem Namen Beit Sahur die sogenannten Hirtenfelder. Eine kleine Franziskaner-Kapelle erinnert an den möglichen Ort, an dem die Weihnachtsbotschaft ihren Lauf genommen hat. Unser Titelbild – ein mit Fresken verziertes Wandgemälde – gewährt uns einen kleinen Einblick in ihr Inneres und gibt uns gleichzeitig eine Idee davon, was die Welt beim ersten Weihnachten verändert hat.

© Armineaghayan, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Hirten sitzen wie jeden Abend bei ihren Schafen. Sie ahnen nichts Besonderes, sie erwarten nichts von dieser Nacht. Doch dann spielt sich diese unglaubliche Szene ab! Sie waren es gewohnt, von wilden Tieren überrascht zu werden. Darin waren sie erprobt. Damit wussten sie. Da konnten sie sich verteidigen. Aber von diesem grellen, strahlenden Licht-Spektakel wurden sie überrumpelt. Und dazu diese Engel! Mächtig muss das gewesen sein. Ich verstehe gut, dass die Hirten sich gefürchtet haben. Und in diese Furcht hinein spricht der Engel. Nein, er ruft ihnen zu – mächtig:

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ Freude, statt Furcht. „Große Freude“. Tatsächlich muss die in den Hirten aufgekommen sein. Die Botschaft des Engels hat sie ja dazu bewogen, mitten in der Nacht nach Bethlehem loszuziehen. Was war der Grund dafür? Was war das für eine Freude?

Ist das vielleicht vergleichbar mit der Freude, die wir von so manchen Geschenken kennen? Mit Neugier reißen wir das Papier auf. Mit Entdeckergeist erkunden wir das Verpackte. Wie funktioniert es? Wie passt es mir? Bei Kindern: Was kann ich damit spielen? Was kann ich bauen? Mit Freude benutzen und gebrauchen wir das Geschenk. Doch mit der Zeit vergeht diese erste Freude. Die Entdeckerfreude. Die Euphorie. Wir gewöhnen uns daran.

Und wenn wir ehrlich sind, kommt bei manchen Geschenken ja nicht einmal wirkliche Freude auf. Vielleicht hatten wir uns etwas anderes gewünscht? Oder schon so etwas in der Art, aber eben anders. Ist dann schwierig mit der Freude. Von „großer“ Freude ganz zu schweigen.

Ich bin davon überzeugt: Der Engel in der biblischen Erzählung, der Bote Gottes, der den Hirten und über sie hinaus auch uns – „allem Volk“ – Gottes Gedanken verkündet, er spricht von einer anderen Art von Freude. Mit „groß“ ist hier nicht die euphorische Freude gemeint, die langsam aber sicher abnimmt und irgendwann erlischt. Mit „groß“ ist hier in der Weihnachtsgeschichte „mächtig“ gemeint (im Griechischen eine Form von μέγας mega). Die Engelsbotschaft hat Macht zur Durchdringung, zur Veränderung, zum Anschub der Zeitenwende.

Jesus ist der Grund zur „großen“ Freude, weil sein Lebenswerk zeitlose Gültigkeit hat, weil es keine geographischen oder ethnischen Grenzen kennt und weil es alle unsere Lebensbereiche durchdringt. Die Auswirkungen von Jesu Lehre von der Versöhnung, seiner zeitlosen Moral, vor allem aber sein Sterben, um uns in der Auferstehung voraus zu gehen, geben uns Grund zu dieser „großen“ Freude. Damals, durch die Jahrhunderte hindurch und heute nicht weniger mächtig.

Lasst uns dieses Weihnachten neu angesteckt werden von der „großen“ Freude – der Weihnachtsfreude. Jesus kommt in die Welt, in meine und deine ganz persönliche. Vielleicht so zaghaft, wie ein Baby in Windeln. Seine Strahlkraft, seine Gedanken, sein Geist durchdringen mehr und mehr unsere Lebensbereiche. Sie überwinden auch unsere Grenzen, weil sie mächtig sind! In unseren Beziehungen, in hoffnungslosen Situationen, in unseren Ängsten. Mit Jesus dürfen wir „Große Freude“, die mächtige Weihnachtsfreude erwarten. Freude, die uns ganz und gar erfüllt und die bleibt, die wünsch ich jeder und jedem von uns zu diesem Weihnachtsfest.

Jens-Daniel Mauer