Was heißt denn da umsonst

[2017-11-17]

Kennen Sie den schon? Am Ende der Schulzeit fragt der Lehrer seine Klasse „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen gratis und umsonst?“ Verwirrtes Schweigen in der Klasse führt zur Auflösung durch den Lehrer: „Also“, und er bittet zwei aufzustehen „Seine Schulbildung war gratis, während seine, auf der anderen Seite, wohl leider umsonst war.“

Ich muss gestehen, seit ich diesen Witz zum ersten Mal gehört habe, hatte das Wort umsonst für mich immer auch einen negativen Beigeschmack. Ich scheine dabei nicht der einzige zu sein, der eine gewisse Vorsicht walten lässt: Ein jüdisches Schulprojekt in Wien hatte seine Arbeit ursprünglich mit 60€ ausgeschrieben. Als ich das erste Mal mit ihnen gearbeitet habe und eben diese 60€ bezahlen wollte, wurde mir offenbart, dass sie das Geld gar nicht wirklich wollten. Der Grund für die Ausschreibung einer Bezahlung wäre lediglich die Sorge um das Denken „Kost’s nichts, ist’s nichts wert“. Es bleibt jedoch die Frage: Wann und warum hat sich dieses Denken etabliert, demnach der Wert einer Sache an dessen Preis fixiert wird?

Mit diesen Vorüberlegungen: Was bedeutet es nun für den Jahresspruch „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“? Mein erstes Problem lag, wie der bisherige Text wohl vermuten lässt, bei dem Wort umsonst. Für mich war dieses Wort einfach zu zweideutig. Die deutschen Übersetzungen arbeiten allerdings meist mit dem Wort umsonst (lediglich die Übersetzung „Hoffnung für alle“ schreibt: „Allen Durstigen werde ich Wasser aus der Quelle des Lebens schenken.“). In solchen Fällen hilft der Blick in die Originaltexte, um ein Gespür für die Absicht der Autoren bekommen zu können: Der griechische Text verwendet dwrea,n (ein Geschenk ohne Bezahlung, gratis). Nun wäre aber das Wort gratis im Zusammenhang mit Gott unangemessen. Zwar ist der lateinische Ursprung des Wortes gratis „gratia“ (Dank, aber es kann ebenso als Gunst oder Gnade übersetzt werden) passend, doch empfinde ich das deutsche Wort in seiner heute geläufigen Bedeutung (ähnlich der negativen Interpretation des Wortes umsonst) als unzulänglich. Gott gibt allen Menschen. Allein aus Gnade und Güte heraus schenkt er uns seine Liebe und ist mit uns. Somit wäre umsonst im Sinne einer Preiskategorie angemessen. Bezogen auf den Wert dieses Geschenk: Dieses ist mit Sicherheit nicht umsonst, denn selbst wenn es ein Mensch nicht annimmt oder nicht zu würdigen weiß: Der Beistand Gottes kann für jene, die ihn für sich zulassen, eine enorme Erleichterung sein und selbst jenen Kraft geben, die sich dessen gar nicht bewusst sind.

Um in diesem Hin- und her der Bedeutung von umsonst zu bleiben wäre die Qualifizierung des Gottes Geschenks wohl folgendermaßen zu formulieren: Gottes Geschenk ist umsonst (dwrea,n) gegeben, aber nicht umsonst (kenw/j – umsonst, vergeblich).

Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig ins Grübeln bringen. Habt ihr vielleicht etwas umsonst bekommen, das Gefahr läuft umsonst zu werden? Gerade wenn wir uns auf die Weihnachtszeit vorbereiten, kann ein solches Bewusstsein viel ausmachen, denn Gott zeigt uns: das größte Geschenk muss nicht auch den größten Preis besitzen!

Jörg Kreil