Singen und tanzen für Gott

[18.12.2021]

Rhythmische Musik erfasst den gesamten Raum sowie alle darin befindlichen Menschen. Begeistert wird gesungen und getanzt. Dutzende Hände über den Köpfen klatschen im Rhythmus der Instrumente. Die Menschen sind bunt angezogen… viel Farbe, ein Musterwirrwarr, kunstvoll aufgetürmte Gebilde auf dem Kopf. Die Stimmung ist begeistert, lebendig, temperamentvoll. Dem Betrachter bietet sich ein Fest für Augen und Ohren – und doch ist das Ganze Ausdruck tiefen, spirituell geprägten Glaubens.

Ja, das ist ein afrikanischer Gottesdienst….

das deutliche Gegenteil vom traditionell europäischen.

So faszinierend dieser auch ist, für europäisches Sitzfleisch sind afrikanische Gottesdienste eine Herausforderung. Diese dauern 3 Stunden und mehr. Sofort kommt einem ein gängiger Spruch in den Sinn: Die Europäer haben die Uhr und die Afrikaner haben die Zeit. Aber ist es unserer Lebensqualität denn wirklich zuträglich, immer auf die Uhr zu schauen, alles schnell abzuhaken? Wird Feiern, wird Lebensfreude nicht doch intensiver, wenn wir uns wieder gestatten, Zeit zu haben? Der kath. Pfarrer Mag. Dr. Emeka Emeakaroha, nach Eigendefinition als „Missionar“ im niederösterreichschen Ober-Grafendorf & Weinburg tätig, musste erst mühsam lernen Messen auf 1 Stunde zu begrenzen. Was er besonders bedauert: „Dieser lebendige, temperamentvolle Ausdruck des Glaubens geht mir hier in Österreich schon ab. In Afrika sind die Menschen arm und zugleich reich. Sie haben keine materiellen Güter, jedoch sind sie reich an Lebensfreude und so feiern sie auch.“

Die überwiegende Mehrheit der Afrikaner gehört dem Christentum und dem Islam an. Der Islam dominiert in den nördlichen Ländern des Kontinents, während im Zentrum und in den südlicheren Ländern das Christentum vorherrscht. Übrigens wird dem Kontinent Afrika, nach einem Bericht des Pew Research Center in den USA 2015, ein Wachstum des Christentums vorausgesagt. 2050 würden Afrika mit der Karibik und Lateinamerika 60 Prozent der Christen beherbergen, während in Europa und Nordamerika nur noch 25 Prozent der christlichen Gesamtbevölkerung leben würde.

Weihnachten

ist im christlichen Teil Afrikas einer der Höhepunkte. Pfarrer Emeakaroha erzählt von Weihnachten in seinem Dorf Umunohu im Osten von Nigeria: “Im Gegensatz zu den Bräuchen in Österreich ist das Weihnachtsfest kein Familienfest, sondern ein Gemeindefest. Die Adventzeit ist allgemein eine ruhige Zeit, da die Menschen noch nicht von diesem Konsumrausch vereinnahmt worden sind. Es ist nicht üblich, dass jedes Kind zu Weihnachten ein Geschenk bekommt, da die durchschnittliche Familie in meinem Dorf fünf bis sechs Kinder hat. In meinem Dorf sind alle Kinder auch zur Christmette eingeladen, die um ca. 21.00 Uhr stattfindet und etwa drei Stunden dauert. Am Christtag wird die Hl. Messe sehr, sehr rhythmisch gestaltet. Es wird viel gesungen und getanzt. Nach der Messe, natürlich nach Stunden, werden in den Familien traditionell Reisgerichte serviert. Das eigentliche Weihnachtsfest findet dann im Dorfzentrum am Nachmittag statt, umrahmt von einer großen musikalischen Darbietung der verschiedensten, aus dem Dorf stammenden Musikgruppen. Bei diesem Fest trifft jeder jeden. „Weiße Weihnachten“ kennen die Kinder in Nigeria natürlich nicht, da es zu dieser Zeit oft 27°C hat. Es gibt auch keinen Christbaum, die Eingänge der Häuser werden mit Palmzweigen geschmückt. Diese Palmzweige sollen jedem, der dieses Haus betritt beziehungsweise verlässt Segen für das kommende Jahr bringen. Zugleich wird alles, was in diesem Jahr nicht gelungen ist, von den Palmzweigen aufgesogen, so der Aberglaube. Zu Silvester, um Mitternacht, bringen alle Familien diese Palmzweige in das Dorfzentrum um diese dort zu verbrennen. Es wird um dieses Feuer herum getanzt und Gott um seinen Segen gebeten. Nachher gehen die Leute nach Hause und fangen gleich mit dem Zusammenräumen und Putzen an. Alles soll wie neu sein, damit das Glück des neuen Jahres in die Familie einkehren kann.“

Eine afrikanische Weisheit besagt: „Jeden Tag wirbelt dir der Wind ein Körnchen Freude auf, sieh gut hin damit du es fängst“. Aus Begegnungen mit Afrikanern weiß ich, dass sie diese Fähigkeit sehr wohl kultiviert haben.

Helga Schinninger
Beauftragte für Entwicklungszusammenarbeit