Sonntagsgruß zum 22. Oktober 2023

[20.10.2023]

20. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde unserer Halleiner Pfarrgemeinde!

Beim Propheten Micha im 1. Testament findet sich das biblische Leitwort für diesen Sonntag und die neue Woche:
„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6,8)

Es kling so einfach, was Gott sich von uns Menschen, von mir und dir wünscht. Und so, als wüssten es eh schon alle, als wäre es ganz selbstverständlich – und vor allem gut für jede und jeden, auch für mich selbst.

Doch wenn ich mich in der Welt umschaue – in meiner kleinen und in der großen, wenn wieder neue Schreckensnachrichten auf mich einprasseln, dann frage ich mich, was bei uns Menschen falsch läuft, warum es uns so schwerfällt, gut, respektvoll und friedlich miteinander umzugehen.

Sicher weiß ich, dass ganz viele Gewaltakte und barbarisches Abschlachten eine Hintergrundgeschichte haben, dass Menschen immer mehr in die Enge gedrängt, schikaniert und ihnen die Lebensgrundlagen genommen werden – bis sie dann zurückschlagen.

Ich weiß, dass Menschen sich so verletzt fühlen, dass sie nur noch mit Hass und voller negativer Energie reagieren können.
Manchmal habe ich den Eindruck, alle Bemühungen, zu einer friedlicheren Welt zu gelangen, Menschen gegenseitigen Respekt zu lehren, sind vom Scheitern bedroht – egal, ob es mit Hilfe von Religion und durch für alle gültige Menschenrechte versucht wird.

Der Prophet Micha gibt mir einen Hinweis: allein mit dem „Liebe üben“ ist es nicht getan. Im Wochenspruch ist der Umgang mit dem Nächsten wohl nicht zufällig von „Gott umschlossen“ – seinem Wort und meiner Beziehung zu ihm.

Voraussetzung ist nach Micha, dass ich mich, mein Denken, Reden und Handeln rückbinde an Gott. Und zwar nicht an den Gott, wie ich ihn mir vorstelle, der in der Gefahr steht, Erfüllungsgehilfe meiner Wünsche zu werden, sondern an das Wort Gottes, dass Gläubige seit Jahrtausend überliefert haben. Im Wort Gottes, das ich in der Bibel finde, wird facettenreich, manchmal auch widersprüchlich erzählt, wie Gott erfahren worden ist und wie Gott sich seine Menschen wünscht.

Ebenso wichtig ist, dass ich mich nicht selbst für Gott halte, weder im Verstehen der Bibel noch in meinem Handeln. Sondern, dass ich mir immer wieder bewusst mache, ich bin ein fehlbarer Mensch. Damit erkenne ich an: Es gibt eine Instanz „über mir“. Sie will und kann ich Gott sein lassen – darf selber dann Mensch sein und mich bemühen, nach Gottes Maßstäben zu leben.

Versuchen wir es gemeinsam in der neuen Woche? Herzliche Einladung dazu!

Euer Pfarrer Peter Gabriel