Sonntagsgruß zum 19. November 2023

[17.11.2023]

Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde unserer Halleiner Pfarrgemeinde!

In den Wochen vor dem Beginn der Adventszeit bedenken wir im evangelischen Glauben die Endlichkeit des Lebens. Wir erinnern uns an Menschen, die uns schon zu Gott vorausgegangen sind, und beschäftigen uns mit der Frage: Wie wird es denn sein nach dem Tod, wie wird Gott uns begegnen?

Im Mittelalter stellte man sich Gott und Jesus als Richter vor, der die Menschen je nach ihren Taten belohnen oder bestrafen. Martin Luther hat dem Gottes Barmherzigkeit und Vergebung der menschlichen Angst entgegengestellt und uns ein anderes Gottesbild eingeprägt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis lesen wir auch den biblischen Spruch für diesen Sonntag aus 2.Korinther 5,10a: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“

Ja, ich muss mich am Ende meines Lebens verantworten für mein Reden und Tun, aber ich hoffe auf einen gnädigen Gott, auf einen, der zurechtrückt, was ich falsch gemacht habe, der liebevoller auf mein Leben schaut als ich selbst oder meine Umwelt das tut. Diese Zuversicht befreit mich von jeglicher Angst vor dem Tod. Und sie befreit mich dazu, jeden Tag neu zu versuchen, im Sinne und in der Nachfolge Jesu zu leben – davon handelt der nachstehende Sonntagsgruß zum Evangelium des Sonntags.

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr

Peter Gabriel

„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40b) – dieser Satz stellt für mich den Höhepunkt des Evangeliums und Predigttextes dieses Sonntags dar.

Mit dem sogenannten „Gleichnis vom Weltgericht“ macht Jesus deutlich, worum es ihm beim und im Christsein geht. In meiner Begegnung mit, in meinem Handeln und Reden gegenüber meinem Nächsten entscheidet sich, wie sehr ich im Sinne Jesu lebe und ihm nachfolge.

Wenn ich ihnen Gutes tue oder sage, zeigt das auch, wie ich zu Gott stehe. Wenn ich andere Menschen mit Worten oder Taten verletze, sie nicht respektiere oder belüge, dann gehe ich auch ohne Achtung und Liebe mit Gott um, beleidige oder verleumde ihn.

Der Nächste, das kann ein Mensch sein, der mir persönlich sehr nahesteht, eine, neben der ich zufällig im Zug oder im Wartesaal zu sitzen komme, oder auch einer, dessen Not mich beim Einkaufen oder in einer Gesprächsrunde „anschreit“, wo ich merke: dieser Mensch braucht Unterstützung (seelisch oder finanziell), braucht jemanden an seiner Seite, der zuhört, der Zeit hat.

Jesus macht deutlich: in jedem anderen Menschen begegnet mir er selbst und damit auch Gott.

Gott ist also kein abstrakter Begriff, keine nicht fassbare Macht, sondern er begegnet mir ganz konkret in jedem Menschen auf dieser Welt. Denn alle Menschen sind nach Gottes Ebenbild erschaffen, in jedem und jeder steckt Gott drin.

In ganz besonderer Weise hat sich Gott im Menschen Jesus Christus verkörpert. An seinem Beispiel kann ich begreifen, wie Gott sich seine Menschen „vorstellt“, wie er sich wünscht, dass wir Menschen miteinander umgehen.

Denn das gehört auch zum Verhältnis Gott – Mensch: es ist ein Liebes- und kein Abhängigkeits- oder gar Sklavenverhältnis. Gott lenkt bzw. diktiert nicht, wie ich mich verhalten soll, sondern er hat mich mit der Möglichkeit der freien Entscheidung geschaffen. In seiner Liebe wünscht er sich jedoch sehr, dass ich in Verbindung mit ihm lebe und in Respekt und Zuwendung mit meinen Mitmenschen umgehe.

Jesus lädt mich ein, mich immer wieder dieser Liebe Gottes zu öffnen, mich als sein geliebtes, gut geschaffenes Kind zu begreifen – und dann liebevoll, achtsam und unterstützend auch mit Menschen in meiner Umgebung umzugehen.

Das will auch ich immer wieder aufs Neue versuchen!

Euer Pfarrer Peter Gabriel