Gruß zum Reformationsfest 2025

[29.10.2025]

„Wie eine Tür, die sich öffnet und uns einlädt ins Glück“
Gedanken zum Begriff der Gnade zum Tag der Reformation

„Gnade“ gehört leider zu den Worten, die oft missbräuchlich, irreführend, verzerrt und in solch inflationärer Weise gebraucht werden, dass es sichtlich schwer fällt, schon beim Klang nicht gleich die Ohren zu verschließen, weil sie uns komisch, frömmelnd und überholt vorkommen. Da fallen Begriffe, wie „Gnade des Vergessens“, „Gnade der Dummheit“, „Gnade der frühen Geburt“, „in Ungnade fallen“. Wir hören drohende Ausdrücke, wie „Gnade Dir Gott!“, hören „mitleidige“ Worte, wie „Gnadenschuss“, „Gnadenhof“, aber auch Bewundernswertes und Dankbares, wie „Gnadenhochzeit“. Wir freuen uns, wenn einmal „Gnade vor Recht ergeht“, können aber bei der Anrede „gnädiger Herr“, „Gnädigste“ „von Gottes Gnade Hochwohlgeboren …“ nur den Kopf schütteln. Kein Wunder, dass das Wort mitunter etwas Antiquiertes an sich hat, über das man nicht gerne offen redet, weil man fürchtet, als komisch belächelt zu werden.

Das Wort Gnade lässt sich im Germanischen auf das Wort „Gunst“ zurückführen und bedeutet zusammenfassend Erfahrungen, wie Unterstützung, Beistand, Milde und Verzeihen gegenüber einem Verurteilten, Liebe und Freundschaft. Im Althochdeutschen heißt sie „ginada“, was so viel wie „sich Herabneigen“ bedeutet, aber durchaus nicht „gönnerhaft“ von Oben nach Unten. Im griechischen Bibeltext wird Gnade „Charis“ genannt und meint: geschenkte Freundlichkeit, Wohltat, Dankbarkeit, Annahme, Freimütigkeit, ohne eine Gegengabe zu erwarten. Im Zusammenhang mit dem Erlösungsgeschehen in Jesus Christus am Kreuz drückt das Wort „Gnade“ die eng damit verwandten Begriffe aus, wie Heil, Barmherzigkeit, Gottes Güte und Gerechtigkeit. Wir reden dann vom „Geschenk der Gnade“, sie lässt sich nicht verfügen.

„Sola gratia – allein durch Gnade“

Der in der Reformation geprägte Ausdruck „sola gratia“ bezeichnet ein Grundelement der Rechtfertigung und drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch allein dank der Gnade Gottes das Heil, das ewige Leben erlangt, also nicht durch seine „guten Werke“ oder durch bezahlte „Ablässe“, also nicht durch das, was er meint, sich „verdient“ zu haben. Ist es demnach sinnlos, gute Werke zu tun? Keineswegs! Jesu Antwort sagt es in großer Deutlichkeit: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“. (Matth 5,16). Wenn Gott bildlich gesprochen der Baum des Lebens wäre und wir seine Zweige, so würde seine „Gnade“ uns das „Leben“ geben und erhalten. Wenn wir dann als seine Zweige „Früchte“ bringen, also gute Taten, so antworten wir ihm damit auf seine Liebe. Von Gott geliebt zu werden, das ist Gnade; wenn wir unsere Mitmenschen aber ebenso lieben wie er uns, dann ist das von unserer Seite her in seinen Augen verdienstvoll.

In dem berühmten Lied „Amazing grace“, was übersetzt „erstaunliche Gnade“ heißt, besingt ein ehemaliger Sklavenhändler, der 1748 in großer Seenot Gott um Hilfe rief und um Verzeihung bat für all das, was er Unrechtes getan hatte, in einem Lied seine gnadenvolle Rettung – von Gott einfach nur geschenkt, unverdient. Ein junger Mann, wegen Drogendelikte in Haft genommen, wusste: „Das ist meine letzte Chance, mein Leben in die Hand zu nehmen.“ Er nahm aber weiter Drogen, bis er während eines Treffens beim „Blauen Kreuz“, einer christlichen Organisation zur Selbsthilfe bei Suchtkrankheiten, den Begriff „Gottes Gnade“ hörte. „Es war“, so schreibt er, „als ob jemand einen Schalter in mir umlegte. Ich bekam wieder neuen Lebensmut und Energie, um mein Leben neu zu ordnen und in Gottes Hand zu geben.“ Gnade kann also für uns in vielen Lebenssituationen wie eine Tür sein, die sich plötzlich ohne unser Tun vor uns auftut und uns einlädt – freundlich einlädt ins Glück.

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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