[26.11.2025]
Wissenschaftlich betrachtet können wir deshalb hören, weil unsere Ohren Schallwellen von außen auffangen und diese in elektrische Signale umwandeln, die dann vom Gehirn als Geräusche verarbeitet werden. Unser Gehirn macht das Wahrnehmen von Klängen und das Verstehen von Sprache überhaupt erst möglich.
Das Hören verbindet uns mit unserer Umwelt, ermöglicht Kommunikation und fördert soziale Interaktion. „Vier unterschiedliche Ohren gibt es“, sagt der Psychologe Friedemann Schulz von Thun, der in den 1970er-Jahren anhand dieses Bildes ein Kommunikationsmodell entwickelt hat, das bis zum heutigen Tag nichts an seiner Aussagekraft verloren hat. Das Anliegen von F. Schulz war, Missverständnisse in der Kommunikation einerseits zu verstehen und andererseits zu vermeiden.
Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel aus einem Beratungsgespräch mit Wolfgang S.:
„Wir können Sie nicht schon wieder finanziell unterstützen, so sehr Sie sich das auch wünschen! Bitte nehmen Sie meinen Rat endlich an, ein Haushaltsbuch zu führen! Nur so wird es Ihnen gelingen, einen besseren Überblick über Ihre monatlichen Einnahmen und Ausgaben zu bekommen und Ihr Geld besser einzuteilen. Die Vorlage dafür habe ich Ihnen ja schon bei unserem letzten Gespräch zukommen lassen.“
- Wenn Wolfgang S. sein Sach-Ohr einsetzt, erinnert er sich daran, dass wir bei unserem letzten Gespräch intensiv über das Haushaltsbuch gesprochen haben – er hat es einfach vergessen, es tatsächlich auch auszufüllen.
- Mit dem Beziehungs-Ohr wahrgenommen kann die Botschaft auch bedeuten, dass Wolfgang S. den „versteckten Vorwurf“ hört und sich denkt: „Wie kann sich Frau Böhm-Ingram nur derartig dreist in mein Leben einmischen – ob ich ein Haushaltsbuch führe, ist doch wirklich mir selbst überlassen!“
- Mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr hört Wolfgang S., was mir in meiner Funktion als Diakoniebeauftragte wichtig ist: nämlich ihm eine Hilfestellung anzubieten, die es ihm ermöglicht, selber aus seiner misslichen Lage herauszukommen, indem er sich künftig einen besseren Überblick über seine Einnahmen und Ausgaben verschafft.
- Und dann ist da noch das Appell-Ohr, mit dem er vor allem die Aufforderung hört, endlich ein Haushaltsbuch zu führen.
Dieses 4-Ohren-Modell von Schulz möchte ich um die für mich wichtigste Dimension des Hörens ergänzen, nämlich: Mit dem Herzen hören!
„Mit dem Herzen hören“ beschreibt die innere Haltung des Zuhörens, die das Herz als Zentrum des Denkens, Wollens und Entscheidens nutzt, um die Anliegen anderer wahrzunehmen. Es geht darum, nicht nur oberflächlich zuzuhören, sondern tiefgreifend wahrzunehmen, was einerseits mein Gegenüber bewegt und andererseits, wie das Gehörte bei mir ankommt.
Das „hörende Herz“ ist offen und empfänglich, nimmt wahr und lässt sich berühren, ohne zu urteilen.
Ein „hörendes Herz“ ist Basis jeden guten Gespräches. Mag für mich das, was der andere mir gerade sagt, noch so vorwurfsvoll oder verletzend sein – wenn ich mir die Zeit nehme, in mich hineinzuhören, welche Gefühle das soeben Gesagte in mir auslöst, dann werde ich nicht vorschnell eine Antwort geben, die ich möglicherweise im nächsten Moment bereue.
Ich bringe dadurch nicht nur meinem Gegenüber die gebotene Wertschätzung entgegen, ich achte durch diese Vorgangsweise auch auf mein (Wohl-)Befinden, und das ist mindestens genauso wichtig!
Gott schenkt uns allen – wie es einst dem Wunsch König Salomons entsprach – ein „hörendes Herz“, um SEINE Worte tief im Herzen aufzunehmen und danach zu handeln. Wir müssen dieses Geschenk Gottes nur noch annehmen!
Diakoniebeauftragte Edda Böhm-Ingram