Hildegard von Bingen

[06.04.2020]

„Pflege das Leben, wo du es triffst!“

Dieses Zitat würden wir wohl nicht einer Nonne aus dem „finsteren“ Mittelalter zuschreiben. Aber es stammt von Hildegard von Bingen, einer außergewöhnlichen Frau, einer Benediktinerin, geboren 1098 und gestorben 1179 in dem für das Mittelalter ausgesprochen hohen Alter von 81 Jahren.

Wer war diese bemerkenswerte Nonne?

Sie entstammte einer herrschaftlichen und wohlhabenden Adelsfamilie, war das zehnte und jüngste, stets kränkelnde Kind. Mit knapp 10 Jahren kam sie in das Benediktinerkloster Disibodenberg, heute Rheinland-Pfalz, in die Obhut von Jutta von Sponheim. Für Kinder aus wohlhabenden Adelsfamilien war es durchaus üblich, ins Kloster „gesteckt“ zu werden. Durch ihre Mitgift und ihre Ländereien wurden diese Klöster reich und bekannt. Mit 16 Jahren entschied sich Hildegard von Bingen, dem Benediktinerorden beizutreten. Damit hatte sie keinen Kontakt mehr zur Außenwelt und lebte in strenger Klausur. Ihr Tagesrhythmus wurde in Wortgottesdienste und Gebetszeiten eingeteilt.

Klöster waren im Mittelalter eigene Unternehmen, Hochburgen der Wissenschaft und Zentren der Kunst und Kultur. So kam Hildegard in den Genuss einer umfassenden Ausbildung. Sie erwarb sich großes Wissen über Natur, Medizin, Philosophie, Musik, Politik und vieles mehr. Schließlich wurde sie zur Magistra ernannt. Als man bei Jutta von Sponheim einen Bußgürtel entdeckte, ein Gerät, das direkt auf dem Leib getragen wurde und der Selbstgeißelung diente, distanzierte sich Hildegard von ihr. Auch andere ihrer selbstzerstörerischen Praktiken lehnte sie ab. Ihr Weltbild war ein anderes: „Der Herr will nicht, dass wir unseren Leib zerstören!“ Hildegard wollte menschenfreundliche Klöster. Auch ihre Gedanken zur Rolle einer Frau waren mutig und richtungsweisend. Trotzdem richtete sie ihr Leben streng nach den Regeln des Ordens aus.

Nach Sponheims Tod im Jahre 1136 übernahm Hildegard die Leitung der Gemeinschaft frommer Frauen, die rechtlich dem Männerkloster unterstellt war. 40 Jahre blieb sie in Disibodenberg. Dann entschloss sie sich, gegen Widerstand und Anfeindungen von Mönchen und dem Abt, mit einigen Nonnen nach Bingen zu gehen. Anfänglich lebten sie in ärmlichen Verhältnissen. Doch mit Hilfe von Gönnern ließ Hildegard ein eigenes Kloster, Rupertsberg, erbauen, direkt an den Flüssen Nahe und Rhein. Das Leben dort verschaffte Hildegard Ruhm. Das Kloster wurde zum Zentrum für Kranke sowie Hilfe und Rat Suchende des damaligen Rheingaus. Auch als Hebammen arbeiteten die Nonnen. Später erwarb Hildegard das Tochterkloster Eibingen bei Rüdesheim, das heute noch besteht. Dort wurden auch nicht adlige Töchter aufgenommen. Zuletzt war ihr Kloster nur noch dem Kaiser Barbarossa und dem Papst unterstellt. Als sie 81-jährig starb, war sie eine der gelehrtesten und bedeutendsten Frauen des Hochmittelalters und setzte Impulse bis in die heutige Zeit.

Lange war sie in Vergessenheit geraten. Erst 1970 entdeckte der österreichische Arzt Gottfried Hertzka Hildegards Aufzeichnungen über Heilmethoden und veröffentlichte sie. Es kam geradezu zu einem „Hildegard-hipe“. Im Jahre 2012 wurde sie durch Papst Benedikt XVI. in den Heiligenkalender aufgenommen und zur „Kirchenlehrerin“ ernannt.

Hildegard von Bingen hinterließ umfangreiche und umfassende Werke. In zahlreichen Schriften trug sie zum Verständnis des Lebens, der Natur, der Umwelt und der Erlangung des Seelenheils bei. Ihre Bücher reichen von theologischen Schriften über Sammlungen von Briefen, Biografien von Heiligen, einer Autobiografie, Gedichten und 77 selbst komponierten Liedern. („In der Musik hat Gott den Menschen die Erinnerung an das verlorene Paradies hinterlassen.“) Sie befasste sich mit der Wirkung von Nahrungsmitteln, Kräutern und Gewürzen auf die Gesundheit und beschreibt die Heilkraft der Natur.

Ein besonders Buch ist das der göttlichen Werke. Ihrer Ansicht nach entfremdet sich der Mensch selbst, wenn er sich von Gott entfremdet. Die Körpersäfte geraten in Verwirrung. Heilung bedeutet für sie, sich wieder in die göttliche Ordnung einzufügen.

Sie machte sich auch Gedanken über die Liebe: „Jede Kreatur hat einen Urtrieb nach liebender Umarmung!“ Hildegards Betätigungsfeld war so umfangreich, dass in diesem Artikel nur ein kleiner Teil dargestellt werden kann. Heute wäre sie sicher eine Naturwissenschaftlerin und ganz sicher eine streitbare „Grüne“.

Nach Hildegard von Bingen gibt es gute und schlechte Nahrung, wobei Dinkel zu der besonders guten zählt. Deshalb gibt es zum Abschluss noch ein Frühstücksrezept aus Dinkel:

Bild: pixabay.com

Habermus nach Hildegard von Bingen:

Zutaten

  • 50g Dinkelschrot,
  • 120 ml Wasser,
  • 1 Apfel,
  • 1 EL Mandeln,
  • 1 TL Honig,
  • Zimt,
  • Bertram,
  • Galgant

Zubereitung

Zuerst muss man den Apfel raspeln oder in kleine Stücke schneiden. Wasser zum Kochen bringen. Den Dinkelschrot einschütten und umrühren. Topf von der Platte nehmen und den geraspelten Apfel dazu rühren. Kurz dünsten lassen. Habermus mit Honig und etwas gehackten Mandeln verfeinern. Zum Abschmecken eignen sich die Hildegardgewürze Zimt, Bertram und Galgant.

Karin Landwehr