Was Gott selbst im kleinsten so schön geschaffen hat

[08.12.2021]

Unter den Menschen sind es nur Einzelne, die, ohne an sich zu denken die reine Freude an dem haben, was Gott selbst im kleinsten so schön geschaffen hat.

(Adalbert Stifter)

Ich kann mich noch genau an den freudvollen Moment zu Weihnachten vor drei Jahren erinnern, als ich das Bild in meiner Hand hielt, das ich von meinem Sohn und seiner Freundin als Geschenk erhalten hatte: „Wir sind schwanger“ stand in weißen Lettern unter dem Ultraschallbild…. Ich kann nicht sagen, wer sich in diesem Moment mehr gefreut hat: Benjamin und Romana, weil ihnen die „Überraschung“ geglückt war, mir diese freudige Botschaft zu Weihnachten zu überbringen oder ich, weil Oma-Werden einfach ein so beglückendes Ereignis ist!

Maria und Josef dürften sich wohl ähnlich gefühlt haben hinsichtlich der bevorstehenden Geburt. Die Vorfreude auf das Weihnachtsfest – die Erinnerung an die Geburt Jesu – ist für mich jedes Jahr bereits in der Adventzeit deutlich spürbar. Ausgelöst wird diese freudige Erwartung in mir durch den Duft der frisch gebackenen Kekse, dem Geschmack der Bratäpfel und gerösteten Kastanien, dem Leuchten der Kerzen am Adventkranz und dem besinnlichen Beisammensein mit Familie und Freund*innen. Und natürlich dürfen die Advent- und Weihnachtslieder nicht fehlen, die in dieser Zeit gemeinsam gesungen werden!

Den Hirten auf den Feldern war die Furcht buchstäblich ins Gesicht geschrieben, als ihnen der Engel die frohe Botschaft der Geburt Jesu übermittelte. Aber lange hielt diese Furcht nicht an und sie machten sich auf den Weg, um an diesem freudigen Ereignis teilzuhaben. Und voll der Freude erzählten sie die Botschaft, die sie vom Engel erhalten hatten, weiter.

FREUDE ist eine der wichtigsten Kraft-Ressourcen, die wir haben – sie ist Nahrung für unsere Seele. In fröhlicher Stimmung können wir unsere Lebenssituation positiver wahrnehmen und mehr genießen als in negativer Grundstimmung. Uns fällt es dann auch leichter, anderen Menschen ebenfalls positiv zu begegnen: Wir sind ihnen gegenüber geduldiger, toleranter und großzügiger. Und andere Menschen fühlen sich meist durch unsere positive Ausstrahlung angezogen und in unserer Nähe wohl.

Denke ich an das vergangene Jahr zurück, dann habe ich viele freudvolle Bilder vor Augen:

  • Das erste Treffen im größeren Familienkreis, als es nach Wochen der Corona bedingten Einschränkungen wieder möglich war
  • Das beglückte Innehalten aller Anwesenden nach dem Verklingen des letzten Tons im ersten 19.19-Konzert nach vielen Monaten ohne Live-Konzerten
  • Unberührte Schneelandschaften im Winter, wenn ich mit den Schneeschuhen allein unterwegs war
  • Die seit langem wieder erste Urlaubsreise ans Meer
  • Die Freude über die Möglichkeit, sich wieder mit Freund*innen zu treffen, gemeinsam einen Kaffee zu trinken und ausgedehnte face-to-Face-Gespräche zu führen.

Nicht immer ist eine freudige Nachricht als solche im ersten Moment erkennbar, manchmal muss ein mühevoller Weg zurückgelegt oder schier unüberwindbare Hindernisse genommen werden, bis die Freude sich (wieder) ausbreiten kann. Freud ́ und Leid liegen oft nicht weit auseinander und es gab in den letzten Monaten auch viele leidvolle Situationen, die schlussendlich aber doch auch freudvolle Momente in sich trugen:

  • Beispielsweise wurden viele Menschen – auch aus unserer Pfarrgemeinde – vom Hochwasser überrascht. Sie mussten ihre Wohnungen verlassen und sich in Sicherheit bringen. Zuzusehen, wie im wahrsten Sinn des Wortes alles „den Bach runter rinnt“, gehört wohl mit zu den leidvollsten Erfahrungen, die man in seinem Leben machen kann. Wie viele Erinnerungsstücke sind unwiederbringlich nicht mehr zu retten gewesen! Und gleichzeitig war da die Hilfsbereitschaft so vieler Menschen, die einfach mit anpackten, den Schlamm aus den Häusern schaufelten, die Helfer mit Essen versorgten und sich freuten, anderen in ihrer Not beizustehen.
  • Afghanistan liegt weit weg und doch haben uns die schrecklichen Bilder und Berichte der Machtübernahme durch die Taliban nicht unberührt gelassen. Hilfesuchend wandten sich auch die bei uns seit Jahren gut integrierten Menschen aus Afghanistan mit der Bitte an mich, ihnen dabei zu helfen, ihre Familienmitglieder nach Österreich zu bringen, damit sie ebenfalls in Frieden leben können. In Afghanistan leben sie unter ständiger Angst um ihr Überleben. Sie freuen sich, wenigsten via Telefon mit ihren Familien in Kabul und anderen Orten Afghanistans in Verbindung bleiben zu können und so zumindest die Gewissheit zu haben, dass sie (noch) am Leben sind.

Neben den Ereignissen, die jeden von uns in freudige Euphorie versetzen, hat jede*r von uns einen ganz individuellen Schlüssel, der die Lebensfreude zum Sprudeln bringt. Die einen sind von ruhiger, stetiger Herzensfreude erfüllt, die anderen schauen vorwiegend auf die kleinen freudvollen Dinge des Lebens. Und viele Menschen brauchen unsere Unterstützung, um den Blick wieder auf die freudvollen Seiten des Lebens richten und ihre schwierige Lebenssituation mit unserer Hilfe meistern zu können.

Was ist es, was deine/Ihre Lebensfreude zum Fließen bringt?

Edda Böhm-Ingram
Diakoniebeauftragte