Diakonie und Schöpfungsverantwortung

[09.11.2022]

Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Einsiedler, der als sehr klug galt. Die Nachricht von seiner Klugheit hörte auch der mächtige Kaiser. Er wollte den Einsiedler prüfen und ließ ihn zu sich kommen. Der Kaiser versammelte alle seine Ratgeber und sprach zu dem Einsiedler: „Hier, in meiner Faust habe ich einen kleinen Vogel. Wenn du wirklich so klug bist, wie man erzählt, dann sage mir, ob der Vogel lebt oder ob er tot ist!“ Der Einsiedler blickte dem König ins Gesicht und sagte lächelnd: „Es liegt in deiner Hand!“.

Diese Geschichte kam mir sofort wieder in den Sinn, als ich darüber nachdachte, wie ich mich dem Thema des vorliegenden Gemeindebriefes „Macht euch die Erde untertan“ am besten nähere. Hat die Antwort des weisen Einsiedlers in der Geschichte nicht auch viel mit unserer eigenen Schöpfungsverantwortung zu tun? Der Kaiser in der eingangs angeführten Geschichte hatte zwei Möglichkeiten: Er hätte einerseits den Vogel in der Hand zerdrücken können oder er hätte seine Faust öffnen können, damit der Vogel in die Freiheit fliegen kann…. je nachdem, wie die Antwort des weisen Einsiedlers ausgefallen wäre.

Im Alltag sind auch wir ständig gefordert, uns für oder gegen etwas zu entscheiden und es liegt an uns, zu überlegen, nach welchen Kriterien wir diese Entscheidungen treffen. Ist die Verantwortung für die Erde, auf der wir leben, ein Kriterium, das Sie bei Ihren alltäglichen Entscheidungen mit einfließen lassen? Etwa, wenn es um den Kauf von Lebensmitteln, den Erwerb eines neuen Autos oder die Planung der nächsten Urlaubsreise geht?

Das heurige Kirchenjahr unterliegt dem Themenschwerpunkt „Schöpfungsverantwortung“. Wie dringlich es ist, dass wir uns – auch als Evangelische Kirche – mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen, machen uns die Auswirkungen der Klimakrise – Überschwemmungen und heftige Stürme einerseits, Hitze und Dürreperioden anderseits – von Jahr zu Jahr deutlicher bewusst. Die Auswirkungen des Hochwassers, das uns letztes Jahr auch in Hallein schwer getroffen hat, sind für viele Menschen noch immer spürbar, manche von ihnen kämpfen nach wie vor um ihre Existenz.

Die Klimakrise trifft nicht alle Menschen gleich stark. Umweltfolgen belasten ärmere Haushalte wesentlich öfter. Beispielsweise kann sich nicht jede/r leisten, eine neue Wohnung anzumieten, nur weil die Heizkosten in der Altbauwohnung überproportional hoch sind. Der regionale Klimabonus, der zur Abfederung der im Juli 2022 neu geplanten C02-Steuer dient, wird die Schere zwischen Arm und Reich weiter verschärfen, wenn nicht gleichzeitig auf das jeweilige Haushaltseinkommen abgestellt wird. So fordert beispielsweise die Österreichische Armutskonferenz, dass die C02-Steuerbelastung einkommensschwächerer Haushalte durch einen einkommensabhängigen Ökobonus ausgeglichen wird.

Wir haben den göttlichen Auftrag, uns die Erde untertan zu machen. Das ist kein Freibrief für eine grenzenlose Ausbeutung der Ressourcen, sondern vielmehr die Aufforderung zu einem nachhaltigen Lebensstil. Für mich bedeutet dieser Auftrag, die Schöpfung zu dem zu gebrauchen, wozu sie von Gott geschaffen wurde. Die Erde lebenswert zu erhalten, dafür hat Gott uns als seine Bevollmächtigten eingesetzt!

In unserer Pfarrgemeinde tragen wir bereits durch viele Aktivitäten Verantwortung für unsere Schöpfung, sei es beispielsweise durch

  • unsere Gartenprojekte
  • unseren Winterdienst, bei dem wir bewusst auf Streusalz verzichten
  • das Angebot, Fahrgemeinschaften für Gottesdienste zu bilden
  • die gezielten Sachspendenaufrufe, durch die gut Erhaltendes an Menschen in akuten Notsituationen weitergegeben wird.

Im Jahr der Schöpfung wollen wir gemeinsam weitere Angebote entwickeln, um unserer Verantwortung, die Erde auch für künftige Generationen lebenswert zu erhalten, bestmöglich nachzukommen. Ihre Ideen, wie wir nachhaltig und über das heurige Jahr hinaus unserer Verantwortung für Gottes Schöpfung gerecht werden können, sind uns schon jetzt herzlich willkommen!

Diakoniebeauftragte Edda Böhm-Ingram

https://evang.at/projekte/schoepfung2022/