Leben auf Pump

[16.05.2022]

Die Erde braucht uns Menschen nicht, wir jedoch brauchen die Erde – und zwar intakt. Möglicherweise wird sie uns irgendwann abschütteln, sollten wir unserer Aufgabe als Statthalter Gottes hier auf Erden nicht endlich nachkommen, diese treuhändisch zu verwalten und zu hüten. So nämlich wird der biblische Herrschaftsauftrag „Macht euch die Erde untertan“ seit dem 20.Jahrhundert interpretiert, nachdem er über Jahrhunderte wörtlich genommen wurde. Diese eklatante Fehldeutung hat auch zur hemmungslosen Ausbeutung von Mensch und Natur beigetragen, messbar im ökologischen Fußabdruck.

Jedes Leben hinterlässt Spuren. Alle natürlichen Rohstoffe, die wir zum Essen, Wohnen, Reisen, etc. verbrauchen, benötigen Platz zum Nachwachsen auf unserem Planeten. Ebenso braucht die Natur Ressourcen, um unsere Abfälle abzubauen (z.B. Wälder und Ozeane um das C02 zu binden). Der Ökologische Fußabdruck macht diesen Flächenbedarf deutlich und vermittelt somit ein vereinfachtes und verständliches Bild der ökologischen Grenzen unseres Planeten. Der „Ökologische Fußabdruck“ einer Person, eines Landes, als Konzept bereits in den 90iger Jahren von Wissenschaftlern entwickelt, wird in Hektar gemessen. Jedem Erdenbürger würden bei einem fairen und umweltbewussten Verbrauch umgerechnet 1,8 ha Fläche zustehen. Österreich benötigt jedoch pro Person 5,3 ha, Europa 4,8 ha, USA etwa 8,6 ha, China 3,6 ha, Lateinamerika 3 ha, Australien 8,2 ha, Afrika 1,4 ha. Derzeit bräuchten wir ca 1,5 Planeten.

Übersetzt in die Wirtschaftssprache: Wir leben nicht von den Zinsen (also den stets erneuerten Ressourcen), sondern bereits vom Kapital (der Substanz der Natur). Und das geht wie beim Geld nur für einige Zeit gut. Der Klimawandel als Folge überforderter Biokapazität ist dafür das sichtbare Zeichen.
Da stellt sich nun auch die Gerechtigkeitsfrage. Wenn die Erde bereits mit dem verschwenderischen Leben von % der Menschheit schon schwerst belastet ist, wo bleiben da die anderen 3A? Natürlich wollen und fordern auch diese ein Leben wie wir Europäer, Amerikaner… Und wie steht’s mit der Generationengerechtigkeit? Was hinterlassen wir unseren Enkelkindern? Unkalkulierbare Folgen des Klimawandels, eine kaputte Umwelt usw.

Wir Österreicher müssten entsprechend oben angestellter Rechnung den Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch um ca.70 % verringern, um unseren Anteil an der global verfügbaren Biokapazität zu erreichen. Eine erschreckend große Zahl. Wie ist das möglichst sozial verträglich zu schaffen? Veränderung unseres Lebensstils, unseres Wirtschaftens ist unumgänglich.

Aussitzen, leugnen, blockieren sind in Zeiten zunehmender Katastrophen keine Verhaltensmuster mehr, die man ohne Scham bedienen sollte. Wobei Veränderung in unserem oft luxusverwöhnten Leben sogar eine neue Lebensqualität beinhalten kann. Auch müssen wir politische Kräfte stärken, die enkeltaugliche Konzepte anbieten. Rückgewandte, Weltver-schwörungs- und Selbstdarsteller-Politik sind ein Klotz am Bein von dringlich zu lösenden Transformationsproblemen. Jeder hat sich jetzt seiner Schöpfungsverantwortung zu stellen, d.h. Informieren, Umdenken und zukunftstauglich Handeln.

Unter den Stichworten Postwachstumsökonomie bzw. Degrowth findet man im Internet Vordenker zu möglichen zukünftigen Wirtschafts- und Lebensformen. Diesen Gedanken sollten wir uns nicht mehr verschließen.

Helga Schinninger, Beauftragte für Entwicklungszusammenarbeit