Angst und Vertrauen (1/6)

[19.09.2020]

Ein Ort gegen die Angst

Gehen Sie doch bitte 2 Minuten in sich und überlegen Sie, wie Sie das Wort „Urvertrauen“ erklären würden.

Susanne Kreuzberger-Zippenfenig Gemeindepädagogin, Gemeindevertreterin, Lektorin2 Minuten vorbei? Gerne würde ich Ihre Definitionen jetzt hören/lesen. Und natürlich könnte ich jetzt auffahren mit Theorien, Definitionen, mit Namen wie Erik H. Erikson oder Hans-Jürgen Fraas (können Sie aber selber ergoogeln – bringt also an dieser Stelle nicht viel). Es folgt jetzt KEINE wissenschaftliche Abhandlung. Das ist meine Sache nicht. Ich versuche eine eigene Definition, dabei mein Arbeitsfeld der Gemeindepädagogik im Blick: Urvertrauen ist das grundsätzliche, rational nicht immer erklärbare Vertrauen eines Menschen in sein Gegenüber (Mensch – oder eben auch Gott). Urvertrauen kann angelegt sein (im besten Fall im ersten Lebensjahr eines jeden Menschen durch Bindung an die Mutter) – oder auch nicht. Falls nicht, wird es schwierig, dieses Urvertrauen später aufzubauen.

Ich habe eine These: Die Erfahrung eines Urvertrauens in (meistens ist es) die Mutter im ersten Lebensjahr „brennt“ sich in das frühkindliche Gehirn. Und auch in die Seele. Diese Erfahrungswerte kann der Mensch abrufen – und umlegen, anwenden auf ein anderes Gegenüber. Auf Gott zum Beispiel. Was hat das alles mit Angst zu tun? Angst ist uns Menschen eigen, so wie das Urvertrauen auch. Im Optimalfall können sich die beiden uns so eigenen Befindlichkeiten die Waage halten: Angst – Urvertrauen.

Ich möchte in meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, mit Menschen im Allgemeinen behutsam anbieten, dass Gott ein Ort gegen die Angst sein kann. Diesen Gott-Ort gegen die Angst möchte ich gerne füllen, ohne künstlich was überzustülpen. Kinder und Jugendliche bringen die unterschiedlichsten Ängste mit, wenn sie zu uns in unsere Gruppen kommen: Schulangst, Angst vor Krankheit und Tod, Angst vor Krieg stehen ganz oben auf der Liste.

Es macht keinen Unterschied, ob die Angst gerade sehr real ist (Angst vor etwas/jemand in der Schule) oder ob die Angst „groß“ und gar nicht konkret greifbar ist (Angst vor Krieg). Die Kinder und Jugendlichen an ihr Urvertrauen zu erinnern, ihr Urvertrauen abzurufen, ihnen Gott als Gegenüber vorzustellen bedeutet auch, Kinder und Jugendliche in ihrem Selbstvertrauen zu stärken. Ihnen zusagen zu können: „Du kannst das, du schaffst das, du bist gestärkt und unterstützt in deinem Tun. Angst und Scheitern gehören dazu und machen dich auch stark – und nicht schwach!“

Ich persönlich freue mich immer, wenn ich Jugendliche nach der Konfirmation weiterhin ein Stück weit ihres Lebens begleiten darf. Ihnen Aufgaben/Dinge zutrauen kann, z.B. wenn sie dann mitarbeiten bei uns und daran wachsen. Dann fühle ich in mir drinnen: „Ich bin am richtigen Ort in und mit meinem Tun.“ Ich würde mir wünschen, dass Kinder und Jugendliche gerne zu uns kommen, dass sie bei uns einen „Wohlfühl-Ort“ vorfinden und somit auch einen Ort gegen ihre „großen“ wie realen Ängste.

Dipl.-Gem.Päd. Susanne Zippenfenig

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