Eine „Lücke“ im Glaubensbekenntnis?

[20.03.2021]

Haben Sie sich schon mal unser Glaubensbekenntnis genau angehört? Eine eigenartige Frage… wo wir es doch so oft beten und rezitieren. Aber wie das so ist bei Dingen, die man sehr häufig macht, entsteht eine gewisse Routine, ein Ritual könnte man auch sagen. Und damit tritt oft die verstandesmäßige Auseinandersetzung mit dem, was man tut, in den Hintergrund und es geht, gerade im Falle des Glaubensbekenntnisses, um das gemeinsame Beten, um den gemeinsamen Akt. Und das ist gut so, ist Teil religiösen Handelns.

Aber dennoch: Ist Ihnen schon mal bewusst aufgefallen, dass in unserem apostolischen Glaubensbekenntnis das Leben Jesu ausgeklammert wird?

…Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben. Am dritten Tage…“

Kein Wort von seinem Leben und Wirken!

Wenn man sich die Entstehungsgeschichte des Glaubensbekenntnisses näher ansieht, dann erklärt sich diese Tatsache zum Teil daraus, dass die Entstehung ein sehr langer Prozess über mehrere Jahrhunderte war, der viele theologische Diskussionen mit sich brachte und dass der Kerngedanke dieser Dispute derVersuch war, Klarheit über die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens zu schaffen und der Ausbildung vieler unterschiedlicher Glaubensrichtungen entgegenzuwirken.Aber schon seit den Anfängen des Christentums lässt sich dabei feststellen, dass es neben der Entwicklung des allgemein anerkannten Glaubensbekenntnisses (dessen Hauptausrichtung Luther in der Darlegung der Trinität sah), immer auch regional ausgeprägte Ausformulierungen gab, die die oben erwähnte „Lücke“ mehr oder minder füllten.

Es wäre müßig, darüber zu diskutieren, ob eine so alte Tradition wie unser Glaubensbekenntnis geändert werden sollte; „Es ist wie es ist“ (frei nach Erich Fried) und es gehört zum christlichen Glauben und zu unserer Liturgie.

Aber dennoch ist die Frage erlaubt, wie sich denn diese Lücke füllen ließe. Schließlich ist das Leben Jesu ein unersättlicher Quell an Weisheit, der unser Leben bereichern und ihm eine Richtung geben kann. Die Gleichnisse des Neuen Testaments beispielsweise sind literarische wie philosophische „Klassiker“, die unsere Kultur maßgeblich geprägt haben und hoffentlich immer noch prägen.

Also… wenn Sie mal Zeit und Lust haben,dann machen Sie sich doch „auf die Suche nach der Lücke“. Entweder, indem Sie sie selbst für sich füllen oder indem Sie schauen, wer das schon mal getan hat; hier nur zwei Beispiele von vielen (viel Freude beim Lesen):

Glaubensbekenntnis (Jörg Zink)

Wir glauben an dich, Gott.
aus deiner Hand kommen alle Dinge.
aus dir kann nichts fallen.
Aus deinem Plan kommen Glück und Leid.
Für uns und alle deine Geschöpfe.
In dich kehren wir zurück.
Wir glauben an Jesus, den Christus, unseren Bruder. Er zeigt uns den Weg. Er steht uns bei.
Er zeigt uns dich als unseren Vater.
Er leidet unser Leid mit, und er stirbt mit uns unseren Tod.
Er führt uns aus dem Tod ins Leben.
Wir glauben an den Heiligen Geist, der uns erfüllt, wenn du ihn sendest, der uns eint und zu deinem Volk macht.
Er tut uns das Herz auf für dein Wort.
Er ist das Licht, das unseren Geist erleuchtet, und die Kraft auf unserem Weg

Glaubensbekenntnis (unbekannte/r Autorin)

(…) Ich glaube an Jesus Christus, der gezeugt wurde
als Sohn des lebendigen Gottes,
der geboren wurde als Mensch unter Menschen,
der uns Gottes Willen verkündet und vorgelebt hat,
der seine frohe Botschaft zuerst und vor allem den Armen verkündete,
der Hungernde speiste und Durstigen zu trinken gab,
der Sünder aufgerichtet und Schuld vergeben hat,
der sich hingegeben hat am Altar des Kreuzes,
der aber nach drei Tagen von Gott auferweckt wurde
zu neuem Leben,
der den Menschen den Heiligen Geist verheißen hat, der dann leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist, der uns begegnet in unseren Schwestern und Brüdern und in jedem Teil der Schöpfung (…)