[11.09.2023]
Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der Name Maja Lunde vielen Leserinnen und Lesern bereits bekannt ist. Aber andererseits sind die Bücher von Maja Lunde es wert, dass hier der Versuch unternommen wird, sie vielleicht doch einigen Menschen ans Herz zu legen, denen sie bis jetzt noch nicht untergekommen sind.
Wer also ist Maja Lunde?
Maja Lunde ist eine norwegische Schriftstellerin, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in ihren Büchern das Thema des Klimawandels literarisch anzupacken und die Gesellschaft dazu zu bringen, sich damit zu beschäftigen. Seit 2015 wurde daraus ein „Klimaquartett“ aus vier Büchern.
Begonnen hat alles mit ihrem ersten Buch „Die Geschichte der Bienen“, in dem sie erstmals ihre persönliche Erzählstruktur entwickelt, bei der sie Handlungsstränge aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. In „Die Geschichte der Bienen“ geht es dabei um die Frage, wie eine Welt aussehen würde, in der es keine Bienen mehr gibt.
Als nächstes Werk dieses Quartetts folgt „Die Geschichte des Wassers“. Und was im ersten Buch noch fast harmlos und wie im Hintergrund mitschwingt, nämlich die Klimafrage, erfasst nun die Leser*innen mit voller Wucht. Denn jetzt geht es um die Frage, wie es in einem Europa aussehen würde, wo der Wassermangel und die damit einhergehende zunehmende Verwüstung unseres Kontinents in der Folge des Klimawandels unaufhaltsam fortschreitet.
Was passiert mit uns Menschen in so einer Situation? Wie reagieren wir? Wie hält oder erodiert unser Sozialgefüge, wenn es buchstäblich ums Überleben geht?
Diese Frage wird im dritten Buch „Die letzten ihrer Art“ mit mindestens ebenso großer Wucht aufgegriffen und weitergeführt. Und wieder führt der Roman uns in eine Geschichte, die Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges miteinander verbindet und ein fiktives, aber durchaus nicht von der Hand zu weisendes Zukunftsszenario entwirft, von einer gänzlich anderen europäischen Gesellschaft, die durch die Klimaveränderung entstehen könnte.
Das letzte Buch dieses Klimaquartetts „Der Traum von einem Baum“ schließlich blickt noch einmal weiter in die Zukunft und entwirft ein Bild von einem völlig neuen Leben des Menschen nach der Klimakatastrophe. Schauplatz des Geschehens ist Spitzbergen, wo nur mehr wenige Menschen leben, die sich zwar der Reste hochwertiger menschlicher Technologie bedienen, aber dennoch im Wesentlichen wieder leben müssen, wie in der „Steinzeit“.
Das Besondere am Ort Spitzbergen ist dabei, dass sich dort die internationale „Samenbank“ befindet: eine Sammlung aller Pflanzensamen aus der Zeit vor der Katastrophe. Die Menschen Spitzbergens sind nun mit der Frage konfrontiert, ob sie diesen Schatz nur „hüten“ sollen oder ihn der Menschheit wieder zur Verfügung stellen – trotz ihrer Angst, dass der Mensch noch immer nicht genug gelernt und verstanden hat und diesen „Schatz“ erneut missbrauchen würde.
Maja Lundes Bücher sind keine „Wohlfühlliteratur“ und man sollte nicht zu ihren Büchern greifen, wenn man auf der Suche nach fröhlicher, unterhaltender Literatur ist.
Aber wenn man bereit ist, sich auf die Frage einzulassen, was es bedeuten könnte, wenn wir nicht auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren, dann ist man genau richtig. Und dann ist es eine besondere Qualität von Maja Lunde, dass sie diese Frage nicht mit dem moralischen Zeigefinger des Besserwissertums aufgreift, sondern mit ehrlicher Sorge, die sie uns in eindrücklichen persönlichen Schicksalen näherzubringen versucht.
Was hat nun dieser Literaturtipp mit einem Gemeindebrief zu tun, in dem es um das Thema „Wahl“ geht?
Ganz einfach: Maja Lundes Bücher wollen uns vor Augen führen, dass wir noch „die Wahl“ haben, wie wir dem Klimawandel begegnen können… und wie eine Welt aussehen könnte, wenn wir diese Wahl nicht nützen, oder die falsche Wahl treffen.
Hartmut Schwaiger