Angst und Vertrauen (4/6)

[25.09.2020]

Der Urlaub

Ein Mensch, vorm Urlaub, wahrt sein Haus, dreht überall die Lichter aus
in Zimmern, Küche, Bad, Abort.
Dann sperrt er ab, fährt heiter fort.

Doch jäh, zuhinterst in Tirol,
denkt er voll Schrecken: „ Hab ich wohl….?“ Und steigert wild sich in den Wahn,
er habe dieses nicht getan.

Der Mensch sieht, schaudervoll, im Geiste, wie man gestohlen schon das meiste,
sieht Türen offen, angelweit,
das Licht entflammt die ganze Zeit!

Zu klären solchen Sinnentrug,
fährt heim er mit dem nächsten Zug
und ist schon dankbar bloß zu sehn:

Das Haus blieb wenigstens noch stehen! Wie er hinauf die Treppen keucht:
Kommt aus der Wohnung kein Geleucht? Und plötzlich ist ́s dem armen Manne,
es plätschre aus der Badewann!

Die ÄNGSTE werden unermessen:
Hat er nicht auch das Gas vergessen?Doch nein! Er schnuppert, horcht und äugt Und ist mit Freuden überzeugt,
dass er – hat er ́s nicht gleich gedacht?
zu Unrecht Sorgen sich gemacht.

Er fährt zurück und ist nicht bang. –
Jetzt brennt das Licht vier Wochen lang.
(Eugen Roth)

 

Mit diesem heiteren Einstieg wünsche ich euch allen einen schönen und erholsamen Herbst, es soll euch nicht so ergehen wie dem Mann in Eugen Roth ́s Gedicht! Wobei auch ich mir schon in ähnlichen Situationen die Frage „Hab ich wohl….“ gestellt habe.

Angst ist ein urmenschliches Gefühl, mitunter lebensrettend. Angst hilft uns, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. … Lebenskrisen, schwere Krankheiten und Situationen im Leben, die wir vorher noch nie erlebt haben – wie beispielsweise die ersten Wochen der Coronakrise – lösen oft berechtigte Ängste in uns aus. Dieses Gefühl der Angst kann rasch überhandnehmen und uns in unserem Handeln lähmen. Das führt dazu, dass diese Lebenssituationen nicht mehr allein gemeistert werden können.

Wie gut, wenn wir dann Menschen um uns haben, denen wir in diesen Situationen gänzlich vertrauen können! Jeder Mensch braucht das Gefühl, vertrauen zu können – Vertrauen in andere Menschen und in die Welt – und dass alles mit rechten Dingen zugeht. Dieses Urvertrauen entsteht in den ersten Lebensmonaten und macht uns schon als Kinder stark für die Herausforderungen, die das Leben bereithält. Wer Urvertrauen in Mitmenschen und sich selbst entwickeln konnte, hat einen der wertvollsten Schätze für seine weitere Entwicklung mitbekommen.

Als Diakoniebeauftragte erlebe es ich in Gesprächen oft, dass Menschen ihr Vertrauen „in das Gute“ verloren haben. Zu oft im Leben wurden sie enttäuscht – ihr Vertrauen wurde durch Eigennützigkeit, Wortbrüchigkeit, Indiskretion, Verrat oder Untreue verletzt. Wie gut tut es dann, Menschen als Gegenüber zu haben, die einen annehmen, so, wie man ist! Zu denen man ein neues Vertrauen aufbauen kann, weil Anliegen diskret behandelt werden und nicht das Gefühl entsteht, „Bittsteller*in“ zu sein! Und die einen darin bestärken, dass es auch in den schwierigsten Lebenssituationen eine Hoffnung auf Besserung gibt! „Alle Dinge sind dem möglich, der glaubt“ (Mk. 9/23)“ – diesen Spruch würde ich gern jeder/m von euch aber auch allen, die bei uns in der Pfarrgemeinde um Hilfe anfragen, mit auf den Weg geben.

Gibt es Menschen in eurem Umfeld, die unsere Unterstützung bräuchten oder denen ein beratendes Gespräch gut tun würde? Oder suchst du selber jemanden, mit dem du „im Vertrauen“ deine Sorgen teilen kannst? Scheut euch nicht, unsere Seelsorger*innen und mich als Diakoniebeauftragte anzusprechen – wir sind für eure Anliegen da!

Edda Böhm-Ingram, Diakoniebeauftragte