Zwischen Tod und Leben

[03.04.2021]

Der Seele Zeit zum Heilen lassen

Wahrscheinlich erwarten Sie alle heute an dieser Stelle Gedanken zum Osterfest. Aber Ostersonntag ist erst morgen. Ich nehme an, Sie lesen die Zeitung am Tag ihres Erscheinens: am Karsamstag.

Worte wie „Karwoche“ oder „Karsamstag“ drohen aus dem deutschen Wortschatz zu verschwinden. Wie oft hört man heute stattdessen „Ostersamstag“ oder „Osterwoche“. Oder noch schlimmer: Leute, die dem Pfarrer am Karfreitag nach dem Gottesdienst „Frohe Ostern“ wünschen. Nein, sage ich: Es ist noch nicht Ostern. Und das ist gut so.

Ich sehe Menschen vor mir, die den Tod gerade hinter sich haben: das Sterben eines Angehörigen; die Hoffnung zerstört, dass der Mensch, den sie geliebt haben, noch bei ihnen bleibt. Traurig ist ihre Seele bis an den Tod, und sie würden jetzt jemanden brauchen, der ausharrt mit ihnen und wacht. Und sie würden vor allem eines brauchen: Zeit und Raum für ihre Trauer. Nichts tun müssen.

Doch genau das wird von ihnen verlangt: tun, machen, funktionieren. Die Beerdigung vorbereiten, Behördenwege…

Und dann die Flucht in die Arbeit, in „Das Leben muss ja weitergehen“. Und wieder keine Zeit und kein Raum für die Trauer.
Doch die Wunden heilen nicht so schnell. Wenn sie keine Zeit und keinen Raum bekommen, graben sie sich nur umso tiefer ein in die Seele. Das neue Leben kann nur langsam wachsen. Es ist noch nicht da.

Es ist Karsamstag. Zeit dazwischen. Der Tod hinter uns, das neue Leben noch nicht da. Karsamstag: Tag der Grabesruhe Jesu. Er ist eine Chance für das Heilen unserer Wunden, wenn wir ihnen Zeit und Raum geben.

Noch sind wir auf der Suche, wie die Frauen, die zum Grab kommen, um dem toten Jesus dort noch einmal nahe zu sein. Es wird, ja, es muss auch uns immer wieder passieren, dass wir am falschen Ort suchen. Die Umwege sind oft nötig und heilsam. Erst dann kann uns jemand in eine neue Richtung lenken, vielleicht mit der richtigen Frage.

„Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ hat der Engel die Frauen gefragt. Sie konnten keine Abkürzung nehmen, aber jetzt müssen sie umdrehen. Jetzt war es für sie soweit. Jetzt können sie dem neuen Leben begegnen: dem Auferstandenen.

Doch Ostersonntag ist erst morgen.

Mag. Peter Pröglhöf
(Veröffentlicht in der Tiroler Tageszeitung vom 3. April 2021)

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