[11.12.2020]
Kein Licht am Ende des Tunnels. Die Zeiten der Corona Pandemie scheinen wenig Anlass zur Hoffnung zu geben.
Ich halte mich da an den Vers aus dem Buch Jona: „Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir.“ Dieser Vers erinnert an einen der schwärzesten Tage, im Wortsinn, den die Bibel zu bieten hat. Der Prophet Jona gedachte an den Herrn im Innersten des Wals, der ihn verschlungen hatte. Jona war verloren, seine Seele verzagte, um ihn herum nichts als Dunkelheit, die Verzweiflung hatte ihn gepackt, das Ende nahe, da gedachte er des Herrn und betete.
„Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach: Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir. Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir.“ Und sein Gebet kam zu Gott. Und die Geschichte nahm eine wundersame Wendung. Der Wal spie Jona aus. Die Dunkelheit wich dem Licht. Sein Gebet, das der Verzweiflung über das Ende entsprungen war, wurde zu einem neuen Anfang.
Martin Luther, der große Reformator, dem die Schwärze der Seele und ihre Verzagtheit nicht fremd gewesen sind, und der manche Pestepidemie durchlebte, hat seine Lehren aus dem Gebet des Propheten Jona gezogen: „Rufen musst du lernen und nicht auf der Bank liegen, den Kopf hängen lassen und dich mit deinen Gedanken beißen und fressen, sorgen und suchen, wie du es loswerdest. Sondern wohlauf, die Hände und Augen gen Himmel erhoben, einen Psalm vorgenommen und deine Not vor Gott dargelegt, ihm geklagt und ihn angerufen.“ Beten hilft. Was wir von Jona hier lernen können, ist Gottvertrauen in dunklen Zeiten. Hoffnung bricht ein in die Dunkelheit. Wenn heute die Sonne scheint und ich hoffe, dass dem morgen auch so sei, so ist das ein netter Wunsch, aber kein Ausdruck einer Hoffnung, die die Zukunft trägt. Gott trägt auch in dunklen Zeiten.
Aber die Jonageschichte geht weiter und bringt selbst für den Propheten schwer Verdauliches. Das Vertrauen in die Menschen. Jona ist ja zu den Einwohnern von Ninive gesandt, um sie zur Umkehr von dem Verhalten zu bewegen, das sie ins Verderben führte. Das Unglaubliche geschieht. Sie kehren um, sie ändern sich, sie entgehen ihrem Schicksal. Jona möchte das nicht glauben und hadert mit Gott. Er vertraut Gott, aber nicht den Menschen.
Das gibt mir Hoffnung: Gott zu vertrauen und den Menschen zutrauen, dass sie sich ändern können, dass sie lernen können, aus der Zusage Gottes heraus, geliebt zu sein und immer wieder eine Chance zu haben sich zu erneuern. Das gilt für die aktuellen Themen der Welt, die derzeitige Pandemie, mit all ihren Folgen, aber auch für die wirklich großen Themen, wie den Klimawandel, und auch für die im Weltmaßstab vielleicht nicht so großen Themen, wie die Zukunft unserer Evangelischen Kirche in Österreich.
Einerseits gilt die Zusage des Bundes, den Gott mit Noah geschlossen hat. „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Zum anderen gilt es die Erde zu bewahren und zu bebauen. Gottvertrauen und Zutrauen in die Veränderungskraft der Menschen sind beide nötig, um Hoffnung zu haben, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen. Dafür lohnt sich der Einsatz, auch wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Kräfte zu schwach sind und nicht ausreichen.
Gerade als Evangelische haben wir gelernt, dass es nicht auf die große Zahl ankommt, dass wir an keinen Gott der Mächtigen, Zahlreichen und Starken glauben. Sondern dass Gott dann an der Seite der Menschen steht, wenn sie sich schwach und verletzlich fühlen. Die Gemeinschaft der „Mühseligen und Beladenen“, in die wir gestellt sind, gemeinsam gerufen von unserem Herrn Jesus Christus, ist der Ort, an dem das Evangelium lebendig wird. Als Vikar habe ich einen solchen Ort der Hoffnung, eine solche Gemeinschaft, die auch durch schwere Zeiten trägt, in der Pfarrgemeinde Hallein erleben dürfen. Heute sehe und erlebe ich lebendige Gemeinden überall in Österreich. Stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel. Dort wo das Evangelium verkündigt wird, in der Gemeinschaft gefeiert und in der Liebe gelebt wird, da lebt auch die Hoffnung. Da ist mir um unsere Kirche auch in Zeiten der Pandemie nicht bang.
Bischof Michael Chalupka (vormaliger Vikar der Evangelischen Pfarrgemeinde Hallein)