Orientierung …. ein Grundbedürfnis

[10.04.2023]

„Christliche Grundwerte haben über zwei Jahrtausende die europäische Kultur geprägt. Diese Werte überwinden die Gegensätze zwischen Egoismus und Moral, zwischen individuellem Glücksstreben und sozialem Zusammenhalt, zwischen dem Menschen als Einzelnen und als sozialem Wesen. Diese Grundwerte speisen sich aus der Einheit von Selbstliebe, Nächstenliebe und Gottesliebe“ so resümiert Stephan Schulmeister, bekannter österreichischer Wirtschaftsforscher, in einem seiner Artikel. D.h. solidarisches Handeln, ein in die Tat umgesetztes Ergebnis dieser Wertehaltung, ist seit Anbeginn Programm in Kirchen.

Ein Blick in unsere Pfarrgemeinde Hallein mit ihren vielen Arbeitsfeldern bestätigt, dass das Engagement für andere seit jeher ein Anliegen war und ist. Viel freiwillige und unbezahlte Arbeit wird hier getan, die unserer Gesellschaft zugutekommt.

Schaut man über unsere Gemeindegrenzen hinaus, so ist auch dort viel Solidarität zu sehen, z.B. Kulturvereine, Rotes Kreuz, Feuerwehr, Privatinitiativen, NGOs…

Solidarische Arbeit ist also kein Alleinstellungsmerkmal von Kirchen oder sonstigen Glaubensgemeinschaften. Das im Menschen angelegte Bedürfnis nach solidarischer Gemeinschaft – der Mensch ist ein Beziehungswesen – kann auch andernorts gestillt werden. Wozu also Kirche? Diese provokant empfundene, aber berechtigte Frage wird auch von der tiefen Enttäuschung über Kirche getragen. Zu viel liegt hier im Argen: wie Missbrauch, respektloser Umgang mit Frauen, Unwille zu Reformen… insbesondere in der römisch-katholischen Kirche. Dass Protestantismus anbietet, worum Katholiken an der Basis vehement kämpfen, ist noch nicht gängiges Wissen. Kirchenflucht ist nur all zu verständlich.

Und doch… Für mich ist sie als Trägerin der Verkündigung unverzichtbar.

Bleiben wir beim Beispiel der Solidarität: Neben dem menschlichen Grundbedürfnis nach gemeinschaftlichem Handeln bietet die Bibel noch eine andere Qualität von Solidarität an. Jürgen Klute, Theologe und ehemaliger Europapolitiker, meint an Hand eines exemplarischen Beispiels, „Der Barmherzigen Samariter“ (Lk 10,25–37), sinngemäß: …Nächstenliebe wird in dieser Geschichte beschrieben als eine Haltung, die über die Gewährung gegenseitiger Hilfe unter Gleichgesinnten hinausgeht. Für den Überfallenen kommt hier Hilfe von einem Außenseiter. Nächstenliebe weitet somit Grenzen und birgt auch einen Kern sozialen Sprengstoffes in sich…

Wir werden also aufgefordert, unsere Fürsorge über unsere solidarische Wohlfühlzone hinaus anzubieten: Dem Abgleiten in Gruppenegoismen und eingeengten Nationalismen könnte somit vorgebeugt werden.

Die Bergpredigt, wo Feindesliebe gefordert wird, geht noch einen Schritt weiter. Der deutsche Linken-Politiker Gregor Gysi brachte dieser Herausforderungen auf den Punkt: „Auch ich kann den Aufruf der Bergpredigt, meine Gegner zu lieben, nicht erfüllen, aber ich lernte dadurch in meiner Arbeit im Bundestag immerhin nicht zurück zu hassen. “

Braucht der Mensch nicht solche „Kicks“, um gegenzuhalten?
Kann Gesellschaft, so gesehen, auf Kirche als Impulsgeber verzichten?

Helga Schinninger Haushaltshilfe